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Der Stoff, aus dem die Bären sind

Reinhard ist grüngrau. Und zottelig ist er auch. Einer, den man gleich knuddeln möchte. Nicht allein wegen seiner Knopf­augen. Vor allem, weil er so bärig süß aussieht. Weil er glückliche Kindheit pur ist. Doch Vorsicht. Reinhard ist nicht bil­lig zu haben. Gute 200 Euro ist er wert, der Jubiläumsbär. Gefertigt von den Teddy-Freunden aus Giengen an der Brenz. Ein echtes Steiff-tier, das an die Gründung der Weberei 1901 durch Reinhard Schulte erinnert. Wenig später begann die Zusam­menarbeit mit Steiff und machte Duisburg zum wichtigsten Rohstofflieferanten für (teddy-)Bärenfelle. Denn was kaum jemand ahnt: Die große Mehrzahl aller Steiff-tiere kleidet das Unternehmen aus Neudorf ein. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Mäd­chen oder Jungen, die gerade mit einem Teddy mit Knopf im Ohr kuscheln, ein Stück Duisburg in Händen halten. Mindestens ebenso verblüffend: Die großen Mode-la­bels wie Prada, Boss oder Marc Jacobs ordern ihre Webpelze aus Mohair und Alpaka in der Manufaktur in Neudorf. Der ku­schelige Chic ist in Mode.

Doch zurück zu Jubiläumsbär Reinhard und seinen Freunden, dem Igel Mecki und dem Steiff-Zoo. Zurück zu dem Beginn einer über 100-jährigen Zusammenarbeit. irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhun­derts fanden Margarete Steiff aus Süd­deutschland und Richard Schulte aus Duisburg zueinander. Richard Steiff, ein Neffe von Margarete Steiff, fertigte den ersten berühmten Bären, benannt nach dem ehemaligen amerikanischen Prä­sidenten Theodore „Teddy“ Roosevelt. Der Duisburger Unternehmer webte den Stoff, der die Bären einzigartig macht: Mohairpelze, gewebt aus dem Haar der Angoraziege. Wie das alles genau pas­sierte? Niemand weiß es mehr. Bern­hard Wanning, Geschäftsführer bei Steiff Schulte, sagt mit einem Lächeln. „in den Gelben Seiten wird Margarete Steiff nicht geblättert haben.“

Weihnachtsgrüße von 1904

Dass die Wahl auf den Lieferanten aus Duisburg fiel, ist dennoch keineswegs eine Überraschung: „Hochwertige Webpelze waren schon immer eine Spezialität, die nicht jeder herstellen kann“, sagt Bernhard Wanning. Ein Nischenprodukt, keine Frage. Ein Meter Stoff ist genug für bestenfalls sechs Durchschnittsbären. Für Mäntel, die es als Einzelstücke nicht an jeder Straßen­ecke gibt, benötigt man drei Meter. Aus den Anfängen der Zusammenarbeit zwischen Margarete Steiff und Reinhard Schulte gibt es noch einen Weihnachtsbrief aus dem Jahr 1904. Mit guten Wünschen aus dem Süddeutschen, Dank für eine kleine Aufmerksamkeit und der freundlichen Mahnung, doch auch in Zukunft die Stoff­bahnen immer genau 1,40 Meter breit zu schicken. Denn sonst passen die Schnitt­muster nicht.

Frau Bijelic ist „Frau Mecki“

Der Geschäftsführer erzählt von dieser Gründungsgeschichte. Reinhard, der Jubi­läumsbär, hat es sich dabei auf dem Konfe­renztisch bequem gemacht. 2001 entstand der knuddelige Geselle, zum 100-jährigen Firmenjubiläum. Freilich, es geht nicht nur um Maßarbeit. Es geht auch um das richti­ge Stoffgefühl, die Farbtreue, das modische Design. Reinhard ist grüngrau, seine Kolle­gen lassen in allen möglichen Farben Kin­deraugen leuchten. Die Farbmusterkartei ist längst bei Nummer 6.000 angekommen. 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten in der Manufaktur in Neudorf buchstäb­lich einen Bärendienst. Sie überwachen, wie sich das Garn zu einer großen Spule aufwickelt, bedienen die 20 Webstühle, färben die Stoffe und geben ihnen den richtigen Chic. Mit längerem oder kürze­rem Fell, verwirbelt oder glatt. Was immer das Kinderherz will. Etwa 25 Arbeitsgänge sind notwendig, bis sich ein dünner Fa­den in ein flauschiges Fell verwandelt hat. Viel Handarbeit ist nötig und Erfahrung. Dusanka Bijelic weiß, welcher Bürstendruck nötig ist, damit der berühmteste Igel der Kinderwelt sein meliertes, spitziges Haupt­haar bekommt. Frau Bijelic heißt bei Steiff Schulte: „Frau Mecki". ihr Arbeitsplatz ist längst nicht der einzige, der so viel Können und Geschick verlangt. all das gelingt ohne Computer, dafür mit großer Erfahrung.

Pelze aus Mohair und Alpaka

Das geht nur „made in Germany“ und „made in Duisburg“. Das hat auch Steiff erkannt und sich die Zusammenarbeit dauerhaft gesichert. Seit 2009 gehört Steiff Schulte zur Steiff-Unternehmensgruppe, welche am Standort in Giengen und in Tunesien Nachschub für den Nachwuchs fertigt. Das Unternehmen weiß um den Wert des Roh­stoffs. Steiff Schulte ist eines der wenigen Unternehmen, das sich auf beste Webpelze aus Naturhaar versteht. Viele andere Her­steller sind vom Markt verschwunden. Elf Webereien gab es früher allein in Duisburg. Jetzt ist nur noch der Webpelzhersteller aus Neudorf übrig. im Ausland, in China zu­mal, kann billiger produziert werden. Zum Beispiel mit Kunstfasern. aber in China gibt es eben keine „Frau Mecki“, die den Stoff so gekonnt bürsten kann. Nur eine Manufak­tur vermag das gewebte Fell in einer immer gleichbleibenden Qualität zu liefern. „Wir arbeiten überwiegend mit Naturmateri­al mit Mohair und Alpaka, dem Kleid einer Kamelart aus den Anden“, erklärt Bernhard Wanning.

Das hat Tücken. Die exakt gleiche Farbe für einen Pelz lässt sich nur schwer herstel­len. Haben die Tiere auf der Weide ande­res Futter gegessen, so verändert sich die Textur des Fells um eine Nuance und schon schillert der Webpelz um einen Hauch heller oder dunkler. Dafür hat der Roh­stoff einen umwelt- und tierfreundlichen Vorteil: Er ist nachwachsend. Viele große Designer-Marken trennten sich deshalb von dem politisch wenig korrekten Echt­pelz-Besatz. Mohair oder Alpaka schen­ken nun das Flauschgefühl. Damit stieg auch die Nachfrage nach den Webpelzen aus Duisburg. Beim Rundgang durchs Un­ternehmen hat Bernhard Wanning sein Telefon dabei. Hugo Boss lässt man nicht warten. Und das Modegeschäft ist ein schnelllebiges: Entdecken die Designer ihre liebe zum Flausch, dann fragen sie in Duisburg nach. ist gerade keine Saison fürs Pelzige, bleibt es ruhig in der Leitung. Steiff Schulte präsentiert seine Stoffe zugleich ganz aktiv. auf Messen oder bei Designern in China. Bernhard Wanning hat da gute Marktchancen ausgemacht. Weil „made in Germany“ zählt und weil der Flausch sich so wunderbar anfühlt.

Der Bär als Familienmitglied

Verlässlich ist in jedem Fall die Nachfrage durch Steiff. Teddys gehen immer. Paten­tanten oder Großeltern zeigen so ihre liebe zum neugeborenen Erdenbürger. Ein Steiff­Tier gehört für viele Familien zur Kindheit wie das Dreirad oder das Bobbycar. Die­ses bärige Gefühl bleibt und behält seinen Freundeskreis. Hobby-Bärenmacher fer­tigen ihre eigenen Kuscheltiere. Den Stoff kaufen sie gern in Duisburg. Billig ist der Rohstoff nicht. aber für die Einzelstücke ist das Beste gerade gut genug. Steiff Schulte betreibt deshalb einen eigenen lagerver­kauf für die Hobby-Bärenfreunde. Mitten in Neudorf, in einer über 100 Jahre alten Manufaktur auf der Holteistraße. Dort, wo der grüngraue Reinhard an diese lange Tradition erinnert und wo jeden Tag aufs Neue der Stoff entsteht, aus dem Kinder- und Modeträume sind.

Kilometer 10200

Eine Großspule mit Mohairwolle wiegt 400 Kilo und verbindet bis zu 6.000 Fäden. Aneinandergeknotet hätten sie eine Länge von 10.200 Kilometern. Oder anders gesagt: Der Faden reichte von Duisburg nach Sao Paulo.

Werksverkauf für Hobby-Kuschler

Wer das exklusive Gefühl echter Webpelze aus Duisburg genießen will, kann den Werksverkauf von Steiff Schulte nutzen. Das Unternehmen hat stets eine große Menge wechselnder Sonderqualitäten, Extrafarben und Sonderposten vorrätig. Sie können bereits ab einem Meter pro Qualität/Farbe erworben werden. Damit lassen sich nicht nur selbst gemachte Teddys einkleiden. Webpelze haben modischen Chic und inspirieren Hobby-Modeschöpfer zu kreativen Ideen. Werksverkauf: Montag bis Donnerstag 9 - 15 Uhr, Freitag 9 - 13 Uhr, Telefon: 0203 9 93 98-21 oder -19, E-Mail: service[at]steiff-schulte.de. Adresse: Werksverkauf Steiff Schulte, Holteistraße 8, 47057 Duisburg-Neudorf (Eingang über den Hof).


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