Modelle wie aus einem Guss
Die riesigen Holzrahmen in der Halle lassen noch nicht ahnen, was einmal in ihnen steht. immerhin, auf den ersten Blick lässt sich leicht erkennen: Es muss was richtig Großes sein. Gut drei Meter ragen die Seitenstreben hoch. Und mindestens ebenso lang ist der Querbalken. Alles gleich vier Mal hintereinander aufgereiht in der hohen Halle der Duisburger Modellfabrik im Gewerbepark in Asterlagen. Geschäftsführer Herbert Schild füllt die Lücke zwischen den rahmen mit erklärenden Worten: „Wir bauen gerade das Modell eines großen Dieselmotors.“ Eines richtig großen Dieselmotors, wie er zum Beispiel in einem Hochseeschiff zum Einsatz kommt. Lydia Schrade plant die Umsetzung der Vorlage am Computer. Jedes Detail muss erfasst und gezeichnet werden. Modellbaumeister wie Sven Scheidung arbeiten daran, dass sich die Vorlage Stück für Stück zu einem Mustermotor aus Kiefernholz zusammensetzt. Hochmoderne Fräsen, gesteuert von Computerprogrammen, schneiden die Teile aus dem Material. Dann beginnt der Zusammenbau von Hand.
So also entsteht innerhalb von sechs Monaten ein Dieselaggregat aus einem nachwachsenden Rohstoff. Auf den Millimeter genau. Nicht zum Anschauen, nicht zum Anfassen. sondern für den Guss. Die Modelle der Duisburger Spezialisten dienen Gießereien als Vorlage. Wenn Herbert Schild den Prozess erklärt, dann muss man schon alle räumliche Vorstellungskraft zusammennehmen. Die Sache ist kompliziert.
Mal so versucht: in Asterlagen entstehen die Holzmodelle von Werkstücken, die später in Stahl oder Bronze gegossen werden sollen. Dazu bauen die 29 Mitarbeiter des Unternehmens zunächst das Werkstück in Holz nach. Als positiv, also so, wie das Werkstück später mal aussehen soll. Dann braucht man eine Kiste, in die das Werkstück passt. in diese Kiste wird in der Gießerei ein Spezialsand gefüllt. Der Sand härtet aus. Die Form wird entnommen. Diese Sandform dient nun als Negativvorlage für den Guss. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Man braucht auch ein Innen Muster. Denn die Gussvorlage aus Sand besteht ebenfalls aus zwei Teilen, mit „Luft dazwischen“, die später vom flüssigen Metall verdrängt wird und zu dem Werkstück aus Metall erkaltet.
Modelle fürs Sand Bett
Selbst das ist sehr vereinfacht beschrieben. Denn Werkstücke haben Ecken, Kanten, Ausbuchtungen und vieles mehr, das es eben nicht einfacher macht, den Sandabdruck bruchlos aus der Form zu bekommen. Auf die Frage, was der wichtigste Unterschied seiner Arbeit zu der eines ganz normalen Tischlers ist, antwortet Modellbaumeister Sven Scheidung deshalb: „Wir machen nichts gerade.“ Mit anderen Worten: Alles ist so gebaut, dass es auch wieder ohne Probleme aus dem Sand Bett befreit werden kann. „Schief“ würde der Laie sagen. „Konisch“ ist das Wort, das der Fachmann benutzt.
Die Modelle sind zwar einzig in ihrer Art, dienen aber immer wieder als Vorlage. Der große Motor zum Beispiel besteht aus fünf gleichen Einzelkomponenten. Mithin braucht man nur ein Musterstück. Für jedes Einzelstück muss es immer aufs Neue im Sand abgeformt werden. Das Holzmodell kommt am Ende 100 Mal zum Einsatz. Das verlangt Sorgfalt, Sinn für Dauerhaftigkeit und Gedanken, wie sich der Aufbau immer wieder leicht auseinandernehmen und zusammensetzen lässt. Und das bei Aggregaten mit einer Größe von mehr als fünf Metern. Wie gesagt, das ist sehr kompliziert. Deshalb kann es nicht jeder. aber die Duisburger Modellfabrik kann es wirklich gut. Oberbürgermeister Sören link bezeichnete bei seinem Besuch die Duisburger Modellfabrik als Hidden Champion, als einen riesen im Schatten.
Für die Großen im Maschinenbau fräsen die Mitarbeiter des Unternehmens in Asterlagen die Modelle aus dem Holz. Für Siemens, Hitachi, für MAN Turbo, für ThyssenKrupp. Dieselmotoren, Bremsscheiben, Komponenten für Windkraftanlagen, Krümmer für Rohverbindungen. Auch stylische lüftungsschächte in Oslo entstanden nach Modellen aus Duisburg und lagerwellen für das Kreuzfahrtschiff AiDA brachten sie in Gussform. Aber auch das Modell für das Love Parade-Mahnmal in Duisburg, das die Lehrwerkstatt von ThyssenKrupp fertigte, entstand in der großen Halle.
Das größte Modell bisher, eine Presse, wog satte 300 Tonnen. Kleinere Musterstücke passen in eine Vitrine im Frühternehmen mit Hightech-Ausstattung hat zugleich Tradition. Vor genau 120 Jahren, im Jahr 1897, gründete Wilhelm Hamacher die Duisburger Modellfabrik. in Hochfeld nahm der Gründer an der industriellen Revolution teil. Auf 400 Quadratmetern mitten zwischen den damals noch rauchenden Schloten im Stadtteil. im 100. Jahr des Bestehens übernahmen die Mitarbeiter Herbert Schild, Volker Bertermann und Heinz Peter Grau 1996 den Betrieb von der Familie Hamacher. Von den Neugründern ist nur noch Herbert Schild im Unternehmen. Seit 2009 ist Martin Jäger als zweiter Geschäftsführer in der Verantwortung. Nach dem Wechsel 1996 stellte sich schnell heraus: Für die Zukunft ist die alte Werkstatt im Hinterhof zu klein. 1999 zog man Stücks Raum. Die Duisburger Modellfabrik gehört inzwischen zu den fünf größten ihrer Art in Deutschland. Europaweit ist man tätig.
Mit Hand und Gigahertz
Handwerkliches Geschick ist beim Modellbau verlangt und hochmodere Computertechnik. Seit über zehn Jahren nutzt man die CNC-Technik. Die Computerprogramme lassen die Fräsen auf den Zehntelmillimeter genau arbeiten. Fünf Achsen bewegen die Drehköpfe durchs Material. Seit zwei Jahren kann man auch in 3D drucken. Die Modellbaufabrik ist dabei immer auch ein Handwerksbetrieb geblieben, ein Tischler-betrieb. Es riecht nach Holz, es riecht nach lack in der Halle. Bohrer kommen zum Einsatz, Schleifpapier und Pinsel. Das Unternehmen mit Hightech-Ausstattung hat zugleich Tradition. Vor genau 120 Jahren, im Jahr 1897, gründete Wilhelm Hamacher die Duisburger Modellfabrik. In Hochfeld nahm der Gründer an der industriellen Revolution teil. Auf 400 Quadratmetern mitten zwischen den damals noch rauchenden Schloten im Stadtteil. Im 100. Jahr des Bestehens übernahmen die Mitarbeiter Herbert Schild, Volker Bertermann und Heinz Peter Grau 1996 den Betrieb von der Familie Hamacher. Von den Neugründern ist nur noch Herbert Schild im Unternehmen. Seit 2009 ist Martin Jäger als zweiter Geschäftsführer in der Verantwortung.
Nach dem Wechsel 1996 stellte sich schnell heraus: Für die Zukunft ist die alte Werkstatt im Hinterhof zu klein. 1999 zog man nach rheinhausen-Asterlagen um und erweiterte im Gewerbepark die Produktionsfläche zunächst auf 800 Quadratmeter. inzwischen modelliert das Unternehmen auf über 7.200 Quadratmetern, Lager und Schlosserei inklusive. Das ist immerhin die Größe eines Fußballplatzes. Zehn Mitarbeiter waren es beim Umzug. inzwischen sind es 29, darunter sechs Auszubildende. Sören link beschrieb diese Verbindung von Vergangenheit und Zukunft so: „Die Modellfabrik ist ein Traditions- und Ausbildungsunternehmen, das in einmaliger und vortrefflicher Weise Handwerk und Digitalisierung miteinander verbindet.“
Wer die Prüfung schafft, hat alle Chancen, übernommen zu werden. Das Handwerk des Modellbauens fordert heraus. Geschick und technisches Verständnis sind gefragt. Das Denken in drei Dimensionen, Mathematik und Physik sowie die Vorstellungskraft dafür, wie sich die Einzelteile zu einer Form vereinigen. Weil man das nur bedingt lernen kann, steht am Anfang in der Regel ein Praktikum. Lydia Schrade hat so zu ihrem Beruf gefunden. Ursprünglich wollte sie Kulissen fürs Theater bauen. Jetzt sitzt sie am Computer und designt die Vorlagen für Turbinen oder Motoren. Das ist großes Kino! „ich habe etwas gesucht, bei dem ich etwas selbst gestalten kann“, sagt sie. Modelle bauen gehört eindeutig dazu.
Musterflaschen aus Acryl
Freilich nicht alles, was im Westen zur Form findet, verschwindet in einer Sandkiste. Seit 2005 gestaltet die Fabrik auch Anschauungsmodelle. Erster Unterschied: Die Vorlagen dienen nicht für den Guss. Zweiter Unterschied: Sie sind aus Acryl. Und drittens: Die Mitarbeiter wie Eberhard Pracht oder Marcel Müller sehen sie wieder. Beim Einkauf im Getränkemarkt, wenn sie zu Serienprodukten geworden sind. Für die Glas- und Kunststoffproduzenten bauen die Duisburger Flaschen. oder besser gesagt: die Warenmuster. Für die Brauerei Bitburger zum Beispiel, für Coca-Cola oder für Wodka-Hersteller. Diese Modelle dienen den Marktforschern als Anschauungsmaterial: Was kommt an beim Kunden? Welche Flasche lässt er lieber stehen? Aus Acryl entstehen diese „Warenproben“ maß- und detailgenau. Acht Stunden braucht Eberhard Pracht für eine Flasche.
Dass sich diese Arbeit lohnt, davon kann sein Kollege Marcel Müller berichten: „Wir haben mal nach sehr exakten Zeichnungen die Modelle von Wasserflaschen gefertigt. Als wir die Bilder sahen, waren wir uns einig: Die erste Vorlage ist klar die beste.“ Dann fertigte man das Modell und stellte fest: „Sie lag nicht gut in der Hand. Eine andere Flasche erfüllte die Ansprüche viel besser.“ Auch in einer virtuellen Welt möchte manches nicht nur gesehen, sondern auch gefühlt werden.