Eine Insel für Besserwisser
Die schönen alten Gassen von Valldemossa,Wanderungen mit Meerblick und kristallklares Wasser in – ja – sogar einsamen Buchten:
Das ist Mallorca, die unangefochtene Lieblingsinsel der Deutschen – für all diejenigen tabu, die mit Schaudern gleich an Sangria in Eimern und stampfende Schlagermusik denken, heiß und innig geliebt von denen, die es besser wissen. „Auf Mallorca ist die Stille unergründlicher als anderswo“, schrieb schon die französische Schriftstellerin George Sand, die hier 1838 einen Winter mit ihrem Geliebten Frédéric Chopin verbrachte. Tatsächlich sind die Auswahlmöglichkeiten für eine ruhige Auszeit auf der Sonneninsel groß: idyllische Fincas im Landesinneren, winzige Fischerorte an der Ostküste, das Tramuntana-Gebirge im Nordwesten als Traum für Aktivurlauber …
Ruhe, Gelassenheit, Canyamel
Wer bei einer Suchmaschine im Internet die Begriffe „Mallorca“ und „Ruhe“ eingibt, Foren durchforstet und Blogs durchstöbert, landet früher oder später in Canyamel. Der entspannte Küstenort liegt im Osten der Insel, einer fast durchweg verschlafenen Region, in der sich das Dorfleben meist noch um Fischfang und bunte Wochenmärkte dreht. Schon auf dem Weg dorthin huschen sandfarbene Windmühlen am Autofenster vorbei und stimmen ein auf den wahren Herzschlag der Insel: Ruhe statt Rummel, Gelassenheit statt Gegröle.
Mandelblüte und Zitrusduft
Genau zwischen den beiden lebhaften Touristenzentren Cala Ratjada und Cala Millor kuschelt sich das beschauliche, ganz und gar mallorquinische Canyamel in eine sanfte Bucht, rechts und links eingerahmt von Bergen und Pinien. Keine Unterkunft hier ist weit vom Meer entfernt. Vom Vier-Sterne-Hotel Universal Laguna Garden, einem familiären Haus mit nur 28 Zimmern,sind es gerade einmal 150 Meter. Man kann also direkt aus dem Bett an den feinen Naturstrand rollen, etwas Sand durch die Zehen rieseln lassen, zwischendurch ins klare Türkis des Meeres tauchen (die Wasserqualität wurde schon mehrfach mit der Blauen Flagge ausgezeichnet) oder in einem der gemütlichen Straßencafés einen heißen „cortado“, die spanische Version von Espresso, schlürfen und selbst abends noch dem Wellenrauschen lauschen, das von keiner Partymusik gestört wird. So fließen die Tage süß wie Honig dahin. Zu Canyamel passt das ausgezeichnet: Der Name des 400-Einwohner-Dorfes leitet sich von „canya de mel“ ab, dem katalanischen Ausdruck für Zuckerrohr, wörtlich übersetzt „Rohr aus Honig“.
Das weiche Licht und die prallen Farben sind es, die auf Mallorca eine ganz besondere Stimmung erzeugen und einen sofort auf Entspannung umschalten lassen. Die silbergrauen Blätter der Olivenbäume schimmern
in der Sonne, im Februar und März verwandelt die Mandelblüte die Insel in eine weißrosa eingefärbte Zuckerwattewelt, im Winter
verströmen Millionen leuchtend gelber und oranger Zitrusfrüchte ihren Duft. Alles andere ist die sprichwörtliche Kirsche auf der Sahne: die wilde Halbinsel Cap Formentor, die nostalgische Straßenbahn, die durch Puerto Soller zuckelt, oder die kargen Berge der Serra de Tramuntana, die ganz unvermittelt den Blick freigeben auf weiße Segelboote und das glitzernde Meer. Mit dem Mietwagen geht es über steile Serpentinen hinauf zu zauberhaften Bergdörfern oder an der Küste entlang zu den mondänen Yachthäfen der Reichen und Schönen und zu Fischerörtchen, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.
Bilderbuch Mallorca
Selbst Canyamel, dieser kleine Schnipsel Bilderbuch-Mallorca, ist zu vielseitig, um den ganzen Urlaub in wohligem Dämmerzustand am Strand zu verbringen – zumindest nicht an einem einzigen. Schließlich ist Mallorcas Osten für seine vielen Buchten berühmt. Und so steht man schon nach wenigen Minuten Fußweg durch luftige Wälder auf einmal an einem Sandstrand, den man sich nur mit ein paar neugierigen Wasservögeln teilen muss. Die Wellen schwappen
zwischen den zerklüfteten Kalkfelsen hin und her, in die Meeresbrise mischt sich der Duft von Kiefern und Rosmarin.
Am Ortseingang dagegen erinnert der Torre de Canyamel, ein stattlicher Wachturm, an die Geschichte der Region: Ab dem 13. Jahrhundert hielten die Einheimischen hier nach Piraten Ausschau. Unterschlupf fanden die Freibeuter übrigens in den Höhlen von Artà, zu denen man ganz gemütlich entlang der Bucht spazieren kann. Stalagmiten und Stalaktiten haben hier uralte funkelnde Säulen geformt, das 54 Meter hohe „Paradies“, die mächtigste Höhle des Systems, soll sogar größer sein als die Kathedrale
von Palma. In der Nähe der Grotte gibt es viele Wanderwege, die Stadt Artà mit ihrer mittelalterlichen Burgruine gilt sogar als echter Geheimtipp. Noch weiter in der Zeit zurück geht es allerdings, wenn man in Canyamel dem Fluss folgt und vom schicken Golfplatz durch die hügelige Landschaft zur prähistorischen Siedlung „Es Claper des Gegants“, zum „Steingelände der Riesen“, wandert. Sonne, Strand und Meer hatten hier nämlich schon vor gut 3.000 Jahren ihre Fans.