Kickboxen ist für mich auch Denksport
Welche Rolle hat Sport während Ihrer Schulzeit gespielt?
Ich habe sehr viel ausprobiert – unter anderem Schwimmen und Taekwondo. Mein Vater hat mich auch bei einem Leichtathletikverein angemeldet. Da war ich aber richtig schlecht. Ich kann mich noch an meinen ersten Start beim Biegerlauf in Duisburg erinnern. Da kam ich als Vorletzte ins Ziel. Und trotzdem habe ich es sogar mal auf Platz eins geschafft – allerdings als einzige Starterin in meiner Altersklasse. Eine Sportart, die mir richtig Spaß gemacht hat, war Rudern. Ich habe zum Ende meiner Schulzeit sehr viel trainiert.
Sie sind nach dem Abitur zum Studium von Duisburg nach Bonn gezogen. Was stand dort auf Ihrem Trainingsplan?
Mit Rudern war es vorbei. Ich konnte schließlich nicht mehr regelmäßig zum Training an die Regattabahn fahren. In Bonn habe ich ein paar Mädels kennengelernt, die mich zum Kickboxen mitgenommen haben. Allerdings bin ich zu Beginn sehr unregelmäßig zum Training gegangen. Das hat sich seit meinem Umzug nach Köln geändert. Wenn es zeitlich passt, bin ich inzwischen jeden zweiten Tag beim Kickboxen. Allerdings habe ich mich am Anfang in den Boxstudios nicht so wohl gefühlt.
Woran lag das?
Kickboxen ist stark männerdominiert. Wenn ich den Trainingsraum betreten habe, standen da nur Männer herum und haben mich angestarrt. Und viele Boxstudios haben nichts dafür getan, dass mehr Frauen zum Kickboxen kommen. In einem gab es noch nicht einmal eine eigene Umkleidekabine für uns. Das hatte zur Folge, dass sich die Frauen auf der Toilette umziehen mussten.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich habe schließlich ein Boxstudio gefunden, in dem es Kickboxtraining nur für Frauen gibt. Das war für mich als Anfängerin genau das richtige Angebot. Dadurch konnte ich die Grundtechniken erlernen und gleichzeitig Selbstbewusstsein aufbauen. Mittlerweile trainiere ich in einer gemischten Gruppe und habe da kein Problem mehr mit.
"Du bist echt besser geworden."
Tessniem Kadiri (21) wuchs in Neumühl und Huckingen auf. Ihre Freizeit verbrachte sie während ihrer Schulzeit hauptsächlich in der Stadtbibliothek. Tessniem Kadiris journalistische Laufbahn begann in der Jugendreaktion von Radio Duisburg. Heute ist sie als Reporterin und Moderatorin für das gesellschaftspolitische Fernseh-Kinder- und -Jugendformat „neuneinhalb“ in der ARD im Einsatz. Tessniem Kadiri ist außerdem Autorin und Host des Tiktok-Nachrichtenkanals „Nicetoknow“ des WDR-Newsrooms. Und sie moderiert das Auslandsformat „Atlas“ von „Funk“.
Mehr zu ihrer Person verrät die Journalistin auf ihrer Internetseite: tessniemkadiri.de
Ist Kickboxen für Sie auch der passende Ausgleich zum Arbeitsalltag?
Auf jeden Fall. Erstmal ist es gut, dass ich für zwei Stunden mein Handy mal aus der Hand legen kann. Da sich mein Beruf auch um Social Media dreht, schaue ich sonst sehr viel auf das Display. Beim Training ist das nicht möglich. Kickboxen bringt mich außerdem körperlich an meine Grenzen. Jede Einheit beginnt mit einem Zirkeltraining. Da komme ich schon ganz schön ins Schwitzen. Kickboxen ist für mich aber auch ein Denksport.
Das würden Laien eher nicht vermuten. Warum ordnen Sie Kickboxen in diese Kategorie ein?
Das ist mir kürzlich im Training wieder bewusst geworden. Ich habe Partnerübungen mit einer Anfängerin gemacht. Und die konnte sich die verschiedenen Schlag- und Trittkombinationen nicht so gut merken. Das ist anfangs aber normal. Damit hatte ich vor eineinhalb Jahren auch noch meine Probleme. Das ist nun mal der große Unterschied: Wenn ich im Fitnessstudio nur Hanteln stemme, muss ich kaum überlegen. Beim Kickboxen muss ich aber entscheiden, welchen Schlag ich jetzt anbringe.
Haben Sie vor, später mal an Kickbox- Wettkämpfen teilzunehmen?
Nein, das Training macht mir schon genug Spaß, da brauche ich mich nicht mit anderen Kickboxerinnen zu messen. Außerdem wäre es für meinen Job nicht so gut. Mit blauen Flecken sollte ich nicht vor der Kamera stehen. Und das Verletzungsrisiko ist bei Wettkämpfen nun mal höher.
Pokale werden Sie in dieser Sportart also nicht holen. Haben Sie denn einen besonderen Moment als Kickboxerin erlebt?
Da fallen mir sogar zwei Momente ein. Ich war wenige Monate so richtig dabei und bin an einem Montag zum Training gegangen. Es war gerade 9 Uhr morgens. Und um die Uhrzeit trainieren wirklich nur die Leute, die richtig motiviert sind. Der Trainer hat sich die Runde eine Weile lang angeschaut und mir dann zugerufen: „Du bist echt besser geworden.“ Das musste ich abends erstmal meiner Mitbewohnerin und ihrem Freund erzählen. Die beiden sind auch im Kickboxen aktiv und wissen, was so ein Lob bedeutet.
Und was war der zweite Moment?
Eine Trainerin wollte uns eine Übung im Detail zeigen und hat dafür eine Partnerin gesucht. Und dann hat sie meinen Namen gesagt. Ich war ihrer Meinung nach also gut genug, dass wir der Gruppe die Übung gemeinsam zeigen konnten. Das können viele Leute vielleicht nicht nachvollziehen, aber für mich hat es sich wie ein Ritterschlag angefühlt.