Unsere Filmkultur ist nicht zu unterschätzen
Werner Ruzicka nimmt die Stufen zu den Filmforum-Büros und steht kurz darauf vor Kai Gottlob. Es folgt eine herzliche Begrüßung. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten. Ruzicka war 34 Jahre lang Leiter der Duisburger Filmwoche. 2018 gab er seinen Posten beim bekannten Dokumentarfilm-Festival ab. Kai Gottlob ist Geschäftsführer des kommunalen Kinos am Dellplatz. Er veranstaltet auch das Stadtwerke Sommerkino im Landschaftspark Nord mit. Im Filmforum sprachen die beiden auch über die Filmstadt Duisburg.
Wann sind Sie sich zum ersten Mal begegnet?
Gottlob: Das müsste so 1983 gewesen sein.
Ruzicka: Das kommt hin. Kai hat damals im Kulturzentrum Hamborn gearbeitet. Ich war zu einer Veranstaltung dort und dachte, ich treffe einen handhabbaren Mitarbeiter. Aber der war anfangs überhaupt nicht handhabbar. Trotzdem waren wir kurz darauf Kollegen und haben uns gut verstanden.
Wie ging es dann weiter?
Gottlob: Wir sind fast parallel dem Ruf der Volkshochschule gefolgt, zu der damals Filmwoche und Kino gehörten. 1984 traten wir beide dann unsere Stellen dort an. Das war für mich spannend, weil ich wenig Erfahrung hatte und viel von Werner lernen konnte. Wenn die Kommission der Filmwoche zusammenkam, fand ich es unglaublich faszinierend, wie intellektuell sich Leute mit dem Thema Film auseinandersetzen können.
Ruzicka: Ich war damals übrigens unentschlossen, ob ich das Angebot annehmen soll. Dann rief Kai mich an und sagte: „Komm, das wird gut. Wir machen das zusammen.“ Das hat mich überzeugt. Und von da an waren wir oft gemeinsam unterwegs. Aber kommen wir mal auf das Thema Filmlandschaft in Duisburg. Ich sitze ja auch hier, um den Mund voll zu nehmen.
Machen Sie das.
Ruzicka: Wir haben hier einen Dreiklang, der in Deutschland seinesgleichen sucht. Wir haben das älteste kommunale Kino der Bundesrepublik. Wir haben die Filmwoche, die im Genre Dokumentarfilm ganz weit oben steht. Und wir haben doxs!, ein Kinderund Jugendfestival für Dokumentarfilme, das europäisch führend ist.
Gottlob: Da muss ich einhaken: Wenn es eine Veranstaltung gibt, die in jedem Feuilleton auftaucht, dann die Duisburger Filmwoche mit ihrem internationalen Publikum. Die Macher erhalten aber oft mehr Anerkennung von außerhalb. Das gilt teilweise auch für das Filmforum: Die Hälfte der Gäste kommt aus Duisburg, die andere Hälfte aus den umliegenden Städten. Beim Sommerkino sind es 60 Prozent auswärtige Besucher. Die kulturelle Arbeit im Bereich Film strahlt also nach außen, darauf können wir stolz sein.
Ruzicka: Man kann jetzt über Berlin mit seinen 16 Filmfestivals sprechen. Bei uns ist dafür alles kompakter und miteinander verzahnt. Die Leute wissen: Im November gibt es die Filmwoche und doxs!. Im Sommer gibt es das Sommerkino, und das Filmforum bietet das ganze Jahr über Programm. Unsere Filmkultur ist beileibe nicht zu unterschätzen.
Sie schwärmen von der Filmlandschaft in Duisburg. Gab es aber Momente, in denen Sie die Stadt verlassen wollten?
Gottlob: Das nicht. Die Schließungsdiskussion im Jahr 2010 war zwar belastend, aber sie hatte auch etwas Gutes. Als ruckzuck die ersten 10.000 Unterschriften da waren, hat uns das schon beeindruckt. Regisseure wie Sönke Wortmann und Wim Wenders haben sich für uns eingesetzt. Die Schauspielerin Senta Berger hat vor Kameras gesagt: „Was erlauben sich die Politiker?“ Das hat alles zum Kippen gebracht.
Deshalb heißt es 2020 auch: 50 Jahre Filmforum.
Gottlob: Da muss ich noch erzählen, wie 1970 alles angefangen hat. Es machte sich in Deutschland eine Bewegung breit, die ein anderes Kino sehen wollte. Josef Krings, damals Kulturausschussvorsitzender und später Oberbürgermeister, hat in der entscheidenden Sitzung einfach das Kinoprogramm der Woche vorgelesen: Da liefen nur die Schulmädchen- und Pauker-Filme. Eine unterirdische Qualität. Deshalb wurde einstimmig beschlossen, ein kommunales Kino zu gründen – das erste in Deutschland.
Abschließend: Welche Filmtipps mit Duisburg-Bezug haben Sie für uns?
Gottlob: Ich gucke mir unheimlich gerne die Schimanski-Filme an. Die funktionieren auch auf der Leinwand sehr gut. Aber bei mir ist es so wie bei dem Familienvater mit den vielen Kindern: Ich möchte mich nicht für einen Film entscheiden.
Ruzicka: Ich nenne mal zwei Dokumentarfilme, die für das Fernsehen entstanden sind. Bei der Filmwoche lief damals „480 Tonnen bis viertel vor zehn“ von Rainer Komers. Da wird einfach nur harte Arbeit gezeigt auf eine faszinierende Art. Der zweite Film heißt „Ruhrort“ von Reinald Schnell. Da wurde der Stadtteil mit seinen Kneipen und Kränen wunderbar festgehalten. Der Dokumentarfilm ist auch eine Gelegenheit, sich liebevoll mit der Vergangenheit seiner Umgebung zu beschäftigen.