Mit Profil für eine solidarische Gemeinschaft
Eckart Pressler ist seit zwölf Jahren Rentner, doch er denkt gar nicht daran, die Füße hochzulegen. Im Gegenteil, der Wahl-Duisburger ist umtriebiger als je zuvor: Regelmäßige Jazz-Konzerte, kulturpolitische Protest-Gigs, Gedenk- und Literaturveranstaltungen, hier und da ein großes Kulturfest oder eine Fotoausstellung – Pressler initiiert, organisiert und macht vom Flyer bis zur Pressearbeit gerne alles selbst. Was den 75-Jährigen antreibt, ist seine Sozialisation als „68er“, der entschiedene Antifaschismus und vor allem die Liebe zu seiner Stadt.
Nie den geraden Weg gegangen
Eigentlich stammt Eckart Pressler aus Kiel, erst sein Architekturstudium führte ihn über Stuttgart ins Ruhrgebiet und schließlich in ein Duisburger Kabelwerk, für das er zwanzig Jahre lang arbeitete. Der Strukturwandel war damals in vollem Gange und „es gibt nicht wenige, die aus Duisburg geflohen sind“, erinnert sich Pressler. Aber er selbst, der im Leben nie den geraden Weg gegangen ist, konnte sich mit dieser Stadt voller Brüche und Menschen unterschiedlichster Couleur identifizieren. Ab den 2000er Jahren begann er damit, sich für Flüchtlinge aus Westafrika einzusetzen und gemeinsam mit ihnen Konzerte zu veranstalten. Seitdem prägt er Duisburgs freie Kulturszene engagiert mit.
„All meine Veranstaltungen sollen – sozusagen als kulturelle Oasen – dazu beitragen, dass man sich wohlfühlt in dieser Stadt, obwohl sie völlig im Umbruch war und immer noch ist, wo nach Kohle und Stahl gar nicht klar war, was es werden könnte“, sagt Pressler. „Was ich mit meiner Arbeitskraft, mit meinen Ideen hier mache, ist Solidarität mit einer Stadt, die voller Ecken, Kanten, Zumutungen aber auch Schönheiten steckt.“ Das Platzhirsch-Festival als ehrenamtlich auf die Beine gestelltes Umsonst-und-draußen-Straßenfest, hervorgegangen aus einem ursprünglich von Pressler mit gegründeten Verein, gehört ebenso dazu wie der Mercator-Jazz, mit dem der Senior seit 2016 der „kulturellen Öde, die durch die Einstellung des Traumzeitfestivals entstanden ist“, den Kampf ansagte.
"Was ich mit meiner Arbeitskraft, mit meinen Ideen hier zeige, ist Solidarität mit einer Stadt."
Immer aktiv, wenn ihn etwas reizt
Eckart Pressler wirkt wie der typische Künstler. Ein Freigeist mit Halstuch und offenem Hemd, der afrikanische Masken und Statuen in seinem Wohnzimmer verteilt, dessen Regale überquellen mit CDs und Büchern. Aber er ist auch „ein spätes Kriegskind“, Jahrgang 1944, Student zu Zeiten der 68er-Bewegung. Und so wird der Duisburger aktiv, wann immer ihn in seiner Stadt „etwas reizt“, wie er sagt.
Gegen Faschismus
Knapp ein halbes Dutzend Vereine hat Pressler schon gegründet, doch sein liebstes Reizthema ist seit jeher der Faschismus. Die Erinnerung an den Widerstandskämpfer Harro Schulze-Boysen, der 1942 von den Nazis ermordet wurde, hält er mit einer jährlichen Gedenkveranstaltung vor dessen Elternhaus im Dellviertel wach. Und als er 2016 über eine Neonazi-Demonstration vor dem Bahnhof stolperte, da dachte er, „jemand der als Gast nach Duisburg kommt, muss sich doch fragen, in welchem Jahrhundert er hier gelandet ist. Mein spontaner Impuls war: diesen Eindruck muss ich abwenden.“
Aus dem Impuls sind 44 Konzerte gegen rechts geworden. Gemeinsam mit Freunden organisierte Pressler die Duispunkt-Gigs auf der Bahnhofsplatte, ein kulturpolitischer Protest genau vor der Nase von Neonazis, Pegida und Co. „Am Anfang kamen die Nazis noch jede Woche, aber irgendwann haben wir sie geknackt“, erzählt der Duisburger sichtlich stolz.
Zeichen setzen gegen Hass und Hetze
Das bisher letzte Duispunkt-Konzert fand im Oktober 2019 statt. Doch unter den Akteuren kam der Wunsch auf, mit einer noch größeren Veranstaltung ein deutliches Zeichen zu setzen – für Duisburg, gegen Hass und Hetze. Mit einem bunten Kulturfest am 8. Mai sollte dem Kriegsende und dem Sieg über den Nationalsozialismus vor 75 Jahren gedacht werden – wie bei so vielen Veranstaltungen kam Corona auch hier dazwischen.
„Aber bei Musikern und Veranstaltern gibt es eine ganz große Bereitschaft gemeinsam mit der Situation fertigzuwerden und zusammen einen Ausweg zu finden“, freut sich Pressler über die Solidarität in der Krise. Selbst das Publikum fordere kaum Geld für bezahlte Tickets zurück, wenn Konzerte langfristig verschoben werden mussten. Für das Überleben der freien Kulturszene sind das gute Signale. „Und im nächsten Jahr können wir immer noch den Sieg über die Nazis feiern, dann eben als Jubiläum ,75 plus eins‘“, sagt Pressler.