Das goldene Feld im Blick
Regina Fernandez spannt die Sehne ihres Bogens. Das Ziel liegt 50 Meter entfernt. Ein kleines, goldenes Feld. Sie atmet noch mal und gibt dann den Schuss ab. Der Pfeil saust über den Sportplatz und steckt Sekundenbruchteile später in der Zielscheibe. Fernandez hat das goldene Feld hauchdünn verfehlt – aber immerhin acht von maximal zehn Punkten erreicht.
Die 46-Jährige ist Bogenschützin bei der Behinderten-Sportgemeinschaft (BSG) für Rollstuhlfahrer Duisburg-Buchholz. Zweimal pro Woche feilt sie an ihrer Schusstechnik. Fernandez hat Multiple Sklerose und ist aufgrund der Erkrankung seit einigen Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Auf einer Messe sah sie einen Stand des Duisburger Vereins. Die Besucher konnten dort das Bogenschießen ausprobieren. „Ich habe ein paar Pfeile geschossen – und mich gar nicht so schlecht angestellt“, erzählt Fernandez.
Ein paar Monate später meldete sie sich im Verein an. „Mir hilft das Training vor allem, meine Muskulatur zu stärken. Das ist bei meiner Erkrankung sehr wichtig“, sagt Fernandez. Sie benutzt einen Compoundbogen. Das Sportgerät mit der Rollenkonstruktion kommt mittlerweile auch bei Wettkämpfen zum Einsatz. Fernandez ist bereits Deutsche Vizemeisterin in der Halle. „So ein Ergebnis macht mich natürlich stolz“, berichtet die Para-Sportlerin.
Buntgemischte Abteilung
Auch wenn im Vereinsnamen das Wort „Rollstuhlfahrer“ steckt, sind viele Fußgänger beim Training dabei. „Jeder ist bei uns willkommen“, sagt Abteilungsleiter Hermann Bernhard Schwartz. Der 39-Jährige zielte schon als Jugendlicher mit Pfeil und Bogen auf Scheiben. Ein Arbeitsunfall führte bei ihm zu einer Nervenerkrankung. Schwartz wollte aber nicht auf seinen Sport verzichten und trat der BSG bei. So unterschiedlich die Mitglieder sind, so unterschiedlich sind auch die Sportgeräte. Manche Schützen greifen wie Robin Hood zum klassischen Langbogen.
„Wir haben aber noch mehr zu bieten als Bogensport“, berichtet die Vorsitzende Verena Schwarz und verweist auf die Vereinswebseite bsgduisburg.de. Es gibt eine Abteilung für Rollstuhl-Basketball und eine für Tischtennis. Im Verein sind derzeit rund 130 Mitglieder angemeldet. „Alle verbindet, dass sie gerne in einer Gemeinschaft Sport treiben“, sagt Verena Schwarz.
Das gilt auch für Regina Fernandez. „Jeder hilft dem anderen, so gut er kann“, sagt sie. Da Fernandez mit dem Rollstuhl nicht über den Rasen fahren kann, zieht Hermann Bernhard Schwartz ihre Pfeile aus der Scheibe und bringt sie zurück. Die Konzentrationsphase beginnt wieder: Regina Fernandez schießt den nächsten Pfeil – und trifft mitten ins goldene Feld.