Purzelbaum? Fehlanzeige!
Frau Beckmann, sind Kinder heutzutage zu dick, faul und ungeschickt?
Zum Glück nicht alle (lacht). Gerade die Corona-Zeit hat aber einige negative Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit von Kindern gehabt.
Laut aktuellen Statistiken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewegen sich 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht ausreichend. Woran liegt das? Gehört das Spielen im Freien nicht mehr zum normalen Tagesablauf von Kindern?
Bei vielen gehört das leider tatsächlich nicht mehr dazu. Seit die Medien in die Kinderzimmer eingezogen sind, ist das klassische „Wir gehen raus“ weniger geworden. Hier sind die Eltern gefordert, zur Bewegung anzuregen.
Wie viel Bewegung brauchen Kinder denn?
Das ist altersabhängig. Laut WHO sollten sich Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 17 Jahren über die ganze Woche hinweg durchschnittlich mindestens 60 Minuten pro Tag mäßig bis stark körperlich betätigen. Kleinkinder sollten etwa 180 Minuten täglich mit verschiedenen Intensitäten über den Tag verteilt in Bewegung sein. Wir unterstützen diese Empfehlungen. In den Bewegungskindergärten, die mit einem Gütesiegel vom Landessportbund ausgezeichnet sind, gelten zwei bis drei Stunden Bewegung als Maßgabe. Gerade jüngere Kinder haben ja einen ganz natürlichen Bewegungsdrang. Der geht aber ein bisschen verloren, wenn man viel vor dem Fernseher oder dem Tablet sitzt. Leider sind auch die Sportstunden in der Schule die ersten, die gestrichen werden, wenn Lehrermangel herrscht. Unser Wunsch wäre es deshalb, dass jedes Kind zwei bis drei Stunden in der Woche im Sportverein aktiv ist. Deshalb bieten wir seit 2018 Sportgutscheine an, mit denen jeder Schulanfänger ein Jahr lang umsonst trainieren kann.
Kinderärzte klagen, dass viele Grundschulkinder nicht einmal Purzelbäume schlagen können. Wie erleben Sie das bei Ihrer Arbeit: Wie hoch ist der Anteil von Kindern mit motorischen Entwicklungsdefiziten tatsächlich?
Die Amtsärzte, die die Schuleingangsuntersuchung durchführen, sind zu Beginn der Corona-Zeit auf uns zugekommen, weil sie Defizite erkannt haben und insbesondere viele Kinder übergewichtig waren. Es gibt da auch Entwicklungen nach Stadtbezirken: Der Duisburger Norden schneidet eher schlechter ab als der Süden. Zum Glück ist die Situation zuletzt aber wieder besser geworden und es gibt weniger negative Ausreißer. Im Herbst 2023 haben wir dann eine flächendeckende sportmotorische Testung aller Zweitklässler in Duisburg ins Leben gerufen. Die Auswertung läuft noch. Klar ist aber: Heutzutage kommen Kinder häufig mit schlechteren Voraussetzungen in die Sportvereine als noch vor zehn Jahren. Deshalb treten wir für das klassische Kinderturnen als Grundlage der sportmotorischen Ausbildung ein; dort werden Kinder rundum gefördert und man kann frühzeitig gezielt Defizite angehen. Das wird auch von den Eltern gewünscht, die Wartelisten sind in Duisburg sehr lang. Wir haben deshalb die „Mini-Athleten“ entworfen, ein Konzept mit ähnlichem Ansatz, das ein paar Sportvereine schon anbieten.
Testergebnisse deuten darauf hin, dass Sozialstatus, Vereinssportaktivität und Gewicht mit der motorischen Leistungsfähigkeit in Zusammenhang stehen. Wie kann man dafür sorgen, dass alle Kinder die gleiche Chance auf eine gute Entwicklung haben?
Es gibt Angebote wie „Bildung und Teilhabe“ für Menschen, die sich den Mitgliedsbeitrag in einem Verein nicht leisten können, oder die einmalige jährliche Förderung durch unsere Sportgutscheine für Erstklässler. Die AWO-Integration oder auch Schulsozialarbeiter helfen dabei, sprachliche Hürden zu überwinden und Fördermöglichkeiten aufzuzeigen. Aber auch die Bildungseinrichtungen selbst nehmen Eltern an die Hand und unterstützen sie dabei, Vereine in der Nähe zu finden. Wir als Stadtsportbund versuchen, Sportprojekte gezielt in die Stadtteile zu bringen, zum Beispiel durch kostenlose Bewegungsangebote im Quartier. Vereine können bei uns auch Fördermittel für Freizeiten oder Fahrten beantragen für Mitglieder, die sich eine Teilnahme sonst nicht leisten könnten.
Gibt es denn auch etwas, das im sportlichen Duisburg besser laufen könnte?
In den Vereinen mangelt es an ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern, viele haben in der Corona-Zeit leider aufgehört. Auch in den Kitas ist der Personalmangel ein Problem: Bewegung ist nicht ganz oben auf der Prioritätenliste, wenn man personell am Limit ist. Natürlich könnten auch viele Sporthallen besser ausgestattet sein und die Wasserzeiten in den wenigen Schwimmbädern, die wir in Duisburg haben, sind unglaublich begrenzt. Das schränkt die Schwimmvereine stark ein.
Was können Eltern ihrerseits tun, um ihr Kind zu mehr Bewegung zu motivieren?
Auf der einen Seite sollte der Sportverein ein Teil des Alltags sein, jenseits der Institutionen Schule oder Kita. Auf der anderen Seite sollte man darauf achten, die Medienzeit der Kinder zu begrenzen und Vorbild zu sein: Wer selbst nur als Couch-Potato vor dem Fernseher sitzt, kann die Kinder schwer motivieren, nach draußen zu gehen. Am schönsten ist Frau Beckmann, sind Kinder heutzutage zu dick, faul und ungeschickt? Zum Glück nicht alle (lacht). Gerade die Corona-Zeit hat aber einige negative Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit von Kindern gehabt. Laut aktuellen Statistiken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewegen sich 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht ausreichend. Woran liegt das? Gehört das Spielen im Freien nicht mehr zum normalen Tagesablauf von Kindern? Bei vielen gehört das leider tatsächlich nicht mehr dazu. Seit die Medien in die Kinderzimmer eingezogen sind, ist das klassische „Wir gehen raus“ weniger geworden. Hier sind die Eltern gefordert, zur Bewegung anzuregen. Wie viel Bewegung brauchen Kinder denn? Das ist altersabhängig. Laut WHO sollten sich Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 17 Jahren über die ganze Woche hinweg durchschnittlich mindestens 60 Minuten pro Tag mäßig bis stark körperlich betätigen. Kleinkinder sollten etwa 180 Minuten täglich mit verschiedenen Intensitäten über den Tag verteilt in Bewegung sein. Wir unterstützen diese Empfehlungen. In den Bewegungskindergärten, die mit einem Gütesiegel vom Landessportbund ausgezeichnet sind, gelten zwei bis drei es deshalb, Dinge zusammen zu machen, ob es der Spaziergang zum Spielplatz ist, die gemeinsame Radtour, das Erkunden des Waldes oder kleine Bewegungsspiele im häuslichen Alltag. Auch das Elterntaxi zur Schule ist sicherlich nicht für jede Strecke notwendig, da kann der Schulweg aktiver gestaltet werden.
Wie findet man denn die richtige Sportart und den passenden Verein?
Bei der Vereinssuche auf unserer Homepage kann man nach Sportart, Alter oder Bezirk filtern – darüber findet man viele Angebote. Die meisten Sportvereine bieten auch an, dass man ein- oder zweimal einfach nur zum Ausprobieren vorbeikommen kann. Dafür sind übrigens auch die Sportgutscheine gut: Das Kind kann schauen, ob eine Sportart die richtige ist, ohne dass die Eltern gleich den Jahresbeitrag zahlen müssen. Am 7. September wird es in der Innenstadt auch wieder den Aktionstag „Duisburg bewegt sich“ geben: Hier stellt sich jede Fachsportart vor und Kinder können vom Fechten übers Turnen bis zum Paddeln alles ausprobieren.