„Bis 2035 wird unsere Wärmeerzeugung klimaneutral“
Herr Gutschek, die Bundesregierung erhöht mit ihrem Klimaschutz-Sofortprogramm das Tempo. Was bedeutet das für die Stadtwerke?
Das wirkt sich selbstverständlich auch auf uns als Energieunternehmen aus. Wir werden die Änderungen in den verschiedenen Gesetzen abwarten müssen, aber der grobe Fahrplan ist eigentlich klar und keine Überraschung mehr: Um die Klimaziele zu erreichen, muss eine Schüppe draufgelegt und nachgesteuert werden, nicht nur im Energie-, sondern insbesondere im Gebäudeund Verkehrssektor. Bis 2035 soll die Stromerzeugung fast vollständig auf Erneuerbaren beruhen, bis 2045 will Deutschland die Treibhausgasneutralität erreichen. Das ist der Kern des verschärften Erneuerbare- Energien-Gesetzes (EEG) 2023. Das EEG 2021 sah noch eine treibhausgasneutrale Stromerzeugung für 2050 vor. Allein das verdeutlicht das erhöhte Tempo.
Gemessen an diesen Zielen: Wo stehen die Stadtwerke Duisburg?
Wir haben bereits 2018 den Ausstieg aus der Kohle erfolgreich bewältigt und die Erzeugung umgebaut. Im Fokus steht die Wärmeerzeugung, denn wir haben im Vergleich zu 1990 bereits mehr als 70 Prozent unserer Emissionen in den eigenen Anlagen reduziert und liegen damit deutlich vor den Zielen der Bundesregierung. Trotzdem liegen die wichtigsten Schritte noch vor uns, damit wir unser Ziel erreichen.
Was genau ist das Ziel der Stadtwerke?
Wir wollen unsere Erzeugung, die ja insbesondere der Wärmeproduktion dient, bis 2035 klimaneutral gestalten. Das bedeutet, dass unsere Wärme- und damit gleichzeitig auch unsere Stromproduktion in 13 Jahren überhaupt keine CO2-Emissionen mehr freisetzt. Sie wird dann also vollständig auf erneuerbaren Energien beruhen.
Damit wären die Stadtwerke ja zehn Jahre schneller klimaneutral als von der Bundesregierung vorgesehen. Warum?
Wir wollen aktiver Gestalter der Wärmewende für Duisburg sein. Deshalb tun wir schon jetzt, was ökologisch geboten und wirtschaftlich möglich ist. Nur deshalb haben wir heute diesen Vorsprung. Da ist es nur konsequent, dass wir weiterhin vorausschauend handeln und uns mit 2035 auch ein ambitioniertes Ziel setzen.
„Wir haben im Vergleich zu 1990 bereits mehr als 70 Prozent unserer Emissionen in den eigenen Anlagen reduziert.“
Welche Annahmen liegen diesem Zeithorizont zugrunde? Was glauben Sie, was bis dahin im Wärmemarkt passiert?
Heute wird in Duisburg der Gesamtwärmebedarf zu rund 60 Prozent durch Erdgas und zu über 10 Prozent durch Öl gedeckt. Berücksichtigt man zusätzlich den Erdgaseinsatz zur Fernwärmeerzeugung, erfolgen über 85 Prozent der Wärmebereitstellung auf Basis fossiler Energieträger. Es ist absehbar, dass sich dieser Mix zugunsten erneuerbarer Energien radikal verändern wird. Bereits ab 2024 gilt, dass bei jeder neu eingebauten oder ausgetauschten Heizung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien zu nutzen sind. Erdgas- und Ölheizungen scheiden damit aus. In der Entwicklung muss man aber zwischen Neu- und Bestandsbauten unterscheiden. Im Bereich der Neubauten werden schon heute Wärmepumpen und Fernwärme favorisiert und dieser Trend wird sich auch nicht umkehren. Solardächer sollen zum Standard werden. Die Energieeffizienz der Häuser wird weiter steigen, demnächst auf die Effizienzklasse EH 55. Ab 2025 wird der Standard auf EH 40 erhöht und der Energiebedarf wird in diesem Zusammenhang weiter sinken. Im Bestandsbau gestaltet sich das aber schwieriger …
Wie denn genau?
Ölheizungen müssen kurzfristig und Erdgasanlagen mittel- bis langfristig ersetzt werden. Erdgas wird als Brückentechnologie voraussichtlich bis Mitte des nächsten Jahrzehnts eine signifikante Bedeutung haben, aber sukzessive durch andere Lösungen und Energieträger ersetzt. Das betrifft dann auch unmittelbar unsere Strategien im Stromund Gasnetz. Denn auch beim Austausch der Heizung muss die neue zu zwei Dritteln Erneuerbare nutzen. Möglich wäre beispielsweise der verstärkte Einsatz von Fernwärme, Wärmepumpen, Pelletheizungen oder Hybridheizsystemen, bestehend aus Erdgas und Wärmepumpe. Klar ist aber: Unsere Kundinnen und Kunden verlangen Lösungen. Das bedeutet, dass wir ein sehr viel breiteres Produktportfolio anbieten müssen, nicht erst mit Blick auf 2035, sondern auch vorher.
Werden Sie bis dahin den geplanten Ausbau der Fernwärme vorantreiben? Oder haben sich hier die Zielsetzungen geändert?
Den aktuell geplanten Ausbau der Fernwärme verfolgen wir in jedem Fall weiter. Zehn Jahre schneller als gesetzlich vorgeschrieben wollen die Stadtwerke die Wärmewende geschafft haben. Wie das gelingt und warum ein Umdenken zwingend erforderlich ist, erklärt Technik-Vorstand Andreas Gutschek im Interview. „Bis 2035 wird unsere Wärmeerzeugung klimaneutral“ 10 STADTWERKE DUISBURG Durch den politisch forcierten Wegfall von Öl und Erdgas zur dezentralen Wärmeerzeugung gilt es, die Vorteile der Fernwärme weiter zu bewerben und diese Wärmebereitstellung weiter zu fördern. Denn im Vergleich zu Erdgas und Heizöl trägt der geringere CO2-Faktor der Fernwärme schon heute zur Dekarbonisierung des Wärmesektors bei. Perspektivisch ist aber die Erhöhung des regenerativen Anteils in der Fernwärme erforderlich. Und klar ist auch, dass der Einsatz von Fernwärme allein nicht ausreicht, um den gesamten Duisburger Wärmemarkt zu transformieren.
Ihre Fernwärme im Netz Mitte basiert maßgeblich auf der Wärmeerzeugung aus Gas. Wie wollen Sie die bis 2035 klimaneutral bekommen?
Da gibt es zwei oder drei große relevante Entwicklungen, die uns helfen werden, bis 2035 klimaneutrale Fernwärme bereitzustellen. Grundsätzlich streben wir an, erneuerbare Wärmequellen einzubinden, wo es möglich ist. Hier laufen bereits Untersuchungen zum Einsatz von Geothermie, aber auch die iKWK-Anlage an der Kläranlage Huckingen zählt dazu. Der verstärkte Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, vor allem in Kombination mit Großwärmepumpen, stellt einen weiteren Baustein dar. Hierüber ließen sich eine zentrale Wärmebereitstellung und die Einspeisung in ein Fernwärmenetz realisieren. Darüber hinaus wird auch die Einbindung industrieller Abwärme perspektivisch an Bedeutung gewinnen, da sie ebenfalls auf Basis Erneuerbarer entsteht, wie zum Beispiel durch den Einsatz von grünem Wasserstoff.
Welche Rolle wird denn Wasserstoff in dem Zusammenhang noch spielen?
Wasserstoff oder allgemein klimaneutrale Gase lassen sich ebenfalls für den klimaneutralen Betrieb unserer KWK-Anlagen nutzen. Schon heute bereiten wir die Gasturbinen darauf vor, Wasserstoff verbrennen zu können. Wasserstoff wird aber auch in der Industrie und der Mobilität eine Schlüsselrolle spielen und wir wissen noch nicht, wann und in welcher Menge er auch für die Versorgung zur Verfügung steht. Notwendig für die Transformation der Wärmeversorgung wird sein, dass am Markt große Mengen an klimaneutralen Gasen und/oder erneuerbarer Strom zu marktfähigen Preisen zu beziehen sind.
Was bedeutet das für Gaskunden? Was ist deren Perspektive in der Wärmewende und was wäre ein klimaneutrales Ersatzprodukt?
Wir gehen davon aus, dass wir grüne Fernwärme als attraktive Alternative für viele Kunden werden bereitstellen können. Andererseits wird Erdgas im Jahr 2035 noch als Brückentechnologie zum Einsatz kommen, bestenfalls bereits angereichert mit „grünen Gasen“. Darüber hinaus wird es eine Entwicklung hin zu strombasierten Produkten geben. Welche Produkte wir in Verbindung mit Strom werden anbieten können, steht heute noch nicht fest; wohl aber, dass wir unser Produktportfolio erweitern werden. Das ist im Kern die zweite Zielsetzung neben einer klimaneutralen Fernwärmebereitstellung.
Wie sieht der Weg zum Jahr 2035 aus? Gibt es schon konkrete Planungen?
Der Umsetzungspfad stellt die Ziele in der Zeitleiste dar; also übergeordnet zum Beispiel die Frage: Zu wie viel Prozent werden wir die Wärmebereitstellung bis zum Jahr 2025 oder bis 2030 dekarbonisiert haben? Dass wir für 2035 das Ziel von 100 Prozent haben, ist klar, aber welche Zwischenschritte sind realistisch und sinnvoll? Ähnlich wird es dann auch Pfade beispielsweise für den Netzausbau oder -rückbau geben oder für die Erschließung alternativer Wärmequellen. Die Maßnahmen zur Umsetzung orientieren sich an diesen Zielen, sie werden davon abgeleitet und festgelegt. Gleichzeitig ist es aber notwendig, dass wir die Bedürfnisse unserer Kunden nach hoher Versorgungssicherheit und angemessenen Kosten nicht aus dem Fokus verlieren. Beide Aspekte zu berücksichtigen, sind wichtige Leitplanken für einen erfolgreichen Weg.