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Das Silicon Valley der Logistik

Duisburg profitiert von seiner geograf­ischen Lage und der Infrastruktur: Was bedeutet das für den Logistikstandort?

Die Region insgesamt hat in den vergan­genen Jahren natürlich sehr stark von der Lage profitiert. Mit seinen Straßen, Schienen und Wasserwegen ist der Nie­derrhein in Europa gut vernetzt. Das ist der Grundstein dafür, dass Duisburg heute eine logistikdrehschreibe mit so großer Bedeutung auf dem Kontinent ist. aber die Lage alleine ist es nicht, die den Erfolg ausmacht. Denn: Logistik ist mehr als das Verladen und ausladen von Gütern. Daran hängen viele weitere arbeiten wie die Ver­packung, Veredelung oder Aufbereitung für den Weitertransport.

Zum Beispiel für welche Waren?

Es fängt mit so simplen Sachen wie einem Kugelschreiber an, der hier zusammen­geschraubt und mit einem logo bedruckt wird. Es geht aber bis zum Automobilbau. im Hafen gibt es Unternehmen, die sich auf das sogenannte Completely Knocked Down spezialisiert haben. Dabei nehmen sie im Grunde schon fertig gebaute Autos wieder auseinander und verpacken sie in Container, um sie so verschicken zu können.

Sie meinen unter anderem das Audi-Lo­gistikzentrum, das 2013 eröffnet hat?

Ja, aber nicht nur. auch Volkswagen und andere Unternehmen aus dem Automotive-Bereich hängen daran. Es sind längst nicht nur diese Unternehmen, die die Region als Drehscheibe für ihre Automobillogistik nut­zen.

Das spiegelt sich auch in den Umschlags-zahlen wider?

Mehr als 80 Millionen Tonnen Fracht gehen jedes Jahr über die Duisburger Häfen. rund 50 Millionen durch den Schiffsverkehr und mehr als 30 Millionen über die Schiene. Das zeigt die Dimensionen. Damit sind wir zwar nicht ganz so groß wie der Hamburger Ha­fen, aber unter den Binnenhäfen sind wir der größte in Europa.

Den Erfolg von Duisburg als Logistikdreh­scheibe machen ja aber ohnehin nicht nur die nackten Umschlagszahlen aus?

Richtig. Ein wichtiger Baustein der Erfolgs­geschichte sind die zusätzlichen Leistun­gen, die hier angeboten werden und für die das am Standort gebündelte Know-how die Grundlage ist. Die Unternehmen profitieren von exzellenten Hochschulen, Forschungs­einrichtungen und der praxisnahen Ausbil­dung. Das ist der Clustergedanke, den der Ökonom und Managementtheoretiker Mi­chael Porter zuerst für die USA beschrieben hat. als Beispiel führt er das Silicon Val­ley an. Wenn man so will, dann kann man Duisburg als das Silicon Valley der Logistik bezeichnen. Das wurde auch durch die Aus­zeichnung als Effizienzcluster durch das Bundesforschungsministeriums bestätigt.

Sie meinen das Logistikcluster, bei dem das ganze Ruhrgebiet dabei ist?

Ja! Normalerweise konzentrieren sich die Spitzencluster-Wettbewerbe auf tech­nikgetriebene Disziplinen wie Nano- oder Biotechnologie. Das sind die klassischen Felder, die bei solchen Wettbewerben ge­winnen. Mit dem Gewinn des Spitzenclus­terwettbewerbs wird deutlich: Logistik ist Innovationstreiber, Logistik ist eine For­schungsdisziplin, die einen hohen Wis­senstransfer in die Unternehmen voraus­setzt. Nur durch einen engen Verbund der Wirtschaft mit den Kompetenzzentren der Region konnte sich der Standort so positiv entwickeln, wie er es in der Vergangenheit getan hat. Für diesen Know-how-transfer stehen exemplarisch die Universität Duis­burg-Essen, aber auch die Fraunhofer-in­stitute und natürlich die Häfen der Region.

Sind dabei die Hochschulen das Rückgrat der Logistik?

Es gibt an der Universität Duisburg-Es­sen das Zentrum für Logistik und Verkehr (ZlV). Dort sind mehr als 30 Lehrstüh­le zusammengeschlossen, die sich alle mit Themen rund um Transport, Mobilität und Logistik beschäftigen. Hinzu kom­men einmalige Einrichtungen wie das Ent­wicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST). Dort machen die Forscher Modellversuche mit Flachwasser­fahrsimulatoren. Sie entwickeln ganz neue Schiffstypen und neue umweltfreundliche Motoren. Das alles ist der Unterbau, der dazu beiträgt, dass die Unternehmen auf Wissen und gutes Personal zurückgreifen können.

Das Schifferberufskolleg gehört auch zu diesem Unterbau?

Selbstverständlich. Es ist sogar ein allein­stellungsmerkmal von Duisburg. Menschen aus ganz Deutschland, die sich in der Bin­nenschifffahrt aus- oder weiterbilden las­sen wollen, kommen wegen des Schifferbe­rufskollegs nach Duisburg.

Das Silicon Valley prägen aber vor allem Unternehmen wie Apple, Google oder Face­book: Welche Schwergewichte haben wir in Duisburg?

Nahezu alle wichtigen Logistikdienstleister sind in der Region vertreten. Viele haben hier auch ihr Headquarter und steuern von hier aus ihre weltweiten Logistikaktivitäten. in der Logistik kann es sich niemand leis­ten, nicht zumindest den Fuß in der Tür des Niederrheins zu halten.

Wie sieht es mit produzierenden Gewerbe aus?

Auch bei den produzierenden Unternehmen haben wir einige Marktführer. Sie sitzen zwar nicht alle in Duisburg, aber sie profi­tieren von dem Standort. Die Stahlbranche ist direkt in der Stadt sehr stark. Die che­mische Industrie rankt sich um Duisburg herum. alles Unternehmen, die auf gute Verbindungen in die Welt angewiesen sind. Sie brauchen den schnellen Zugang zu den Seehäfen in Antwerpen und Rotterdam, und den bieten ihnen Duisburg und der Nie­derrhein.

Welche Produkte schlagen diese Unter­nehmen hier um? Reicht die Palette von der Zahnbürste bis zum Computer?

Die Frage ist interessant, weil sie die Kon­sumentensicht auf das Thema zeigt. Zahn­bürsten, Schuhe und Computer sind alles Sachen, die wir im Alltag brauchen. Und na­türlich haben wir hier in der Region riesige Konsumentenmärkte wie das Ruhrgebiet oder das Rheinland. Die Logistik in Duisburg funktioniert aber nicht alleine als import­drehscheibe für Konsumgüter. Sie hat eine besonders wichtige Funktion für den Export von Stahl, Maschinenteilen, anlagen, Fahr­zeugteilen und chemischen Grundstoffen, die hier produziert werden. Die Logistik ist entscheidend für die Industrie vor Ort und für die Exportnation Deutschland insge­samt. Ohne die gute Logistik, wie Duisburg sie hat, wären wir nie Exportweltmeister geworden.

Industrie, das war in Duisburg und im Ruhrgebiet lange gleichzusetzen mit Stahl. Welche Rolle spielt er heute noch?

Die hier produzierten Mengen sind nach wie vor gigantisch. Das macht viel von der Be­deutung als Logistikstandort aus. Da hängt nicht nur der Stahl dran, der hier produziert wird. Er geht ja oft direkt wieder in die Pro­duktion bei Autoherstellern wie Audi. Bei Metall ist der Exportanteil nämlich gar nicht so groß, wie man vielleicht denkt. Viele Stahlprodukte gehen in Deutschland in die Produktion und später in die Welt hinaus.

Und damit wieder über Duisburg?

Genau.

Das Blech von ThyssenKrupp Steel sieht die Stadt später als fertige Autotür wieder, und von hier aus geht es nach China?

Das kann natürlich sein. China ist aber nochmal ein gutes Stichwort wegen des Yuxinou-Zugs. Er legt mehr als 11.000 Ki­lometer von den Duisburger Häfen bis in die chinesische industriemetropole Chong­quing zurück. Der Zug transportiert unter anderem Elektroartikel aus den Werken von acer, Hewlett-Packard oder Foxconn. Er unterstreicht die logistische Bedeutung der Stadt, denn mit dieser Zugverbindung wur­de quasi die historische Seidenstraße wie­derbelebt. Das Besondere ist, dass diese neue Seidenstraße jetzt in Duisburg endet. Das tat die alte nach meines Wissens nicht.

Die Bedeutung der Stadt kann aber auch jeder nachvollziehen, der gerne in Fast­food-Restaurants isst.

Ja, in Duisburg und Umgebung sitzen viele Unternehmen, die Lebensmittel transpor­tieren. Dazu gehören auch die Logistiker, die zum Beispiel die McDonald's-Filialen versorgen. aber es gibt auch Firmen, die sich auf Tiefkühlkost, Druckerpatronen oder T-Shirts spezialisiert haben.

Zum Schluss: Was sind die Produkte der Zukunft, die über die Drehscheibe Duis­burg gehen?

Der 3D-Drucker wird in der Zukunft ein im­mer stärkeres Thema werden. Zukünftig können Sie sich die Produkte daheim aus­drucken, indem Sie einen Datensatz herun­terladen, der das möglich macht.

Macht das Logistik nicht überflüssig?

Sicher nicht. aber jede technische Innova­tion wirft neue Fragen auf und verändert auch die Logistik. Die Luftfracht wird hier nach meiner Einschätzung ein guter Indi­kator sein, weil kurzfristige Bestellungen auf anderem Weg ermöglicht werden kön­nen.

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