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Ein Leben für den Wassersport

Michael! Michael! Warte mal!“, ruft eine Kinderstimme. Michael König (52) bleibt stehen, dreht sich um und schaut, wer nach ihm ruft. Einen Augenblick später steht Nico vor ihm. Der Neunjährige ist sichtlich aufgeregt, er will unbedingt etwas erzählen. Und dann platzt es aus ihm heraus: „Gleich probier’ ich den Tantrum!“ Seit wenigen Ta­gen lernt Nico am Toeppersee den Umgang mit Wasserskiern. inzwischen hat es ihm eine moderne Variante des Sports angetan: das Wakeboarden. Und jetzt hat sich der Knirps in den Kopf gesetzt, einen „Tantrum“ zu springen – einen Rückwärtssalto. Mi­chael König geht in die Knie. Dann blickt er Nico tief in die Augen. „Das ist wirklich mu­tig von dir, Nico“, sagt er mit ruhiger Stim­me. „aber der Tantrum hat es echt in sich.“ Dann zwinkert er dem Jungen zu. „Üb’ bes­ser erst noch ein bisschen das normale Fahren. Und dann tastest du dich langsam an die tricks heran. Nichts überstürzen!“ Der Rat verfehlt seine Wirkung nicht, Nico nickt, sein Tatendrang ist etwas gebremst – für den Moment. Dann stürmt er davon, in Richtung See, zur Wasserskianlage.

Gespräche wie das mit Nico hat Michael Kö­nig schon Hunderte Male geführt. Er sieht, wann ein Nachwuchssportler bereit ist, gro­ße Sprünge zu machen. Seit 25 Jahren leitet Michael König die Wasserskianlage an der Tegge – dem kleinen Nachbarn des großen Toeppersees in rheinhausen. Dass es die Anlage gibt, geht zurück auf eine Wette. Und die hat eine Vorgeschichte: als Michael Kö­nig noch ein Kind war, hatten seine Eltern ei­nen Wohnwagen in Niedersachsen. Zu dem mobilen Ferienheim gehörte auch ein Boot. Michael König und die anderen Jungs vom Campingplatz nutzten jede Gelegenheit, um damit über einen ruhigen Nebenarm der Ems zu knattern. als Michael König 14 Jahre alt wurde, kaufte die Familie für das Boot ei­nen neuen Motor – 20 PS stark. „Damit war das Boot dann endlich schnell genug, um Wasserski zu fahren“, erzählt König.

Mit Wasserski-Virus infiziert

Zunächst fuhr Michael König mit klobi­gen Holzskiern, seine Ausrüstung hatte er größtenteils selbst gebaut. Der Sport steckte hierzulande ja noch eher in den Kinderschuhen. „aber wir hatten einen rie­senspaß“, sagt König. Noch heute grinst er, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Fortan war er mit dem Wasserski-Virus infiziert. Sein Equipment wurde besser, er lernte immer mehr dazu, und schon bald nahm er an Wettbewerben teil. Dass er aber Jah­re später sein Geld mit dem Sport verdie­nen würde, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Beruflich verschlug es König zunächst unter Tage. Er wurde Bergmann, auf der Zeche Lohberg. Später besuchte er die technikerschule, danach arbeitete er als Grubensteiger. Ein guter Job sei das ge­wesen, interessant und ordentlich bezahlt: „ich liebte meinen Bergbau.“ Wasserski war für König immer ein Ausgleich zum Beruf. „Wenn ich morgens von der Nachtschicht gekommen bin, hab ich erst zwei, drei Stunden gepennt, und danach bin ich nach Wedau zur Wasserskianlage gefahren“, sagt er. Beim Training entwickelte er seine Fähigkeiten weiter – und er wurde immer besser: Slalom, Trickski, Springen. Es folg­ten Wettkämpfe und sogar eine Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft. Bereits Anfang der 1980er Jahre reifte bei Michael König die Idee, eine eigene Wasserskianla­ge zu bauen. allein war er nicht mit seinem Plan: „in der Szene haben damals viele da­von gesprochen, aber ich hab’s tatsächlich getan“, sagt er. Musste er ja.

Schließlich gab es diese Wette mit seinen Bekannten. Sie hatten gesagt, dass sie eine Wasserski­anlage bauen wollten – innerhalb von drei Jahren sollte sie fertig sein. Drei Jahre, eine lange Zeit. König war überzeugt, dass er es schneller schaffen würde, Chef einer eigenen Anlage zu sein. Der Wetteinsatz war eine Kiste Bier. Man gab sich darauf die Hand, die Wette galt. Spätestens jetzt gab es kein Zurück mehr. Und König mach­te sich auf die Suche nach Geldgebern und einem passenden See. Finanziers waren schneller gefunden als ein geeignetes Ge­wässer. Gemeinsam sahen sich König und seine Mitstreiter diverse Seen am Nieder­rhein und in Duisburg an. Schließlich lan­deten sie am Toeppersee.

Entstanden ist er gegen Ende des 19. Jahr­hunderts. Arbeiter der Firma „Emil Toep­per“ gruben hier Kies aus dem Boden. Es entstand ein mehr als zehn Meter tiefes Loch, das zwar später zum teil wieder zu­geschüttet wurde, aber groß und tief genug blieb, um sich durch Grund- und Regen­wasser zu einem See zu entwickeln. Und am Ufer ebendieses von Menschenhand geschaffenen Gewässers standen König und seine Mitstreiter an einem kalten De­zembertag in den späten 80er Jahren. Es schien, als wäre ihre See-Suche beendet: wunderschöne Landschaft, ruhig gelegen und dennoch nahe der Stadt.

In Unterhose ins eiskalte Wasser

„Wir haben zur Insel in der Mitte des Sees geschaut und uns gefragt, wie weit es wohl bis dahin ist“, erzählt König. Erst warfen sie Steine, um die Entfernung zu schätzen. Dann zog sich ein Freund bis auf die Unterhose aus, stieg ins eiskalte Wasser und schwamm mit einem Seil bis zur Insel. „Passt“, dachte König damals. Die Entfernung war in Ordnung, um die Seile für eine Wasserskianlage zu spannen. Sie fertigten erste Zeichnungen, zerbrachen sich die Köpfe – und am Ende stand der Plan für die Wasserskianlage, wie sie noch heute in Betrieb ist. „Dann haben wir Kontakt zur Stadt aufgenommen“, sagt König. Von den ersten Gesprächen bis zur Genehmigung dauerte es zwei Jahre. Die Wette hatte er gewonnen. Die Kiste Bier hatte er sich verdient. Seitdem ist die Anlage beständig gewachsen.

10.000 Quadratmeter misst seine „Was­serski- und Freizeitanlage“, wie sie offiziell heißt, allein an Land. Hinzu kommt die Was­serfläche. Es gibt unter anderem Tennisplät­ze, Speedminton, einen Slackline-Parcours, Tischtennisplatten, Boule, Minigolf – doch der Kern des Ganzen ist und bleibt die Was­serskianlage. Sie funktioniert ähnlich wie ein Skilift. allerdings geht es nicht darum, einen Skiläufer vom Tal auf den Berg zu brin­gen, sondern darum, ihn waagerecht übers Wasser zu ziehen. Über neun Masten ist am Toeppersee ein starkes Seil gespannt, das von einem Motor in Bewegung gesetzt wird. Vom Hauptseil hängen einzelne Seile herab. Die Wasserskifahrer greifen danach, halten sich daran fest – und die wilde Fahrt be­ginnt. Mit 30 Stundenkilometern sausen die neoprengekleideten Sportler über die Was­seroberfläche. Wenn König den Motor der Wasserskianlage mit Vollgas fährt, sind so­gar 60 Stundenkilometer möglich. Gezogen werden die Wasserskifahrer in einem wei­ten Kreis über den Toeppersee, 760 Meter misst die Strecke. Der Weg vom Start ins Ziel dauert etwa 90 Sekunden. auf der Strecke sind verschiedene Hindernisse in­stalliert. Geübte Fahrer nutzen sie für wil­de Sprünge. Sie zeigen Saltos, Schrauben, Drehungen um die eigene Achse. Wasser spritzt auf, wenn sich die Sportler in die Kurve legen oder nach einem waghalsigen Stunt wieder auf der Seeoberfläche lan­den. Besucher kommen aus allen Teilen Nordrhein-Westfalens nach Duisburg, um den Sport auszuprobieren. „Wasserski­fahren ist eigentlich einfach“, sagt Kö­nig. „Nach einer Schnupperstunde sollte es jeder schaffen, eine Runde unfallfrei zu überstehen. Und wenn nicht, schenke ich ihm eine weitere Schnupperstunde.“ Anfänger brauchen zunächst nur eine Ba­dehose und ein Handtuch. Der rest kann bei König ausgeliehen werden. Erst wenn klar ist, dass jemand an dem Sport Gefal­len gefunden hat, rät der Bahn-Chef zum Kauf eigener Ausrüstung: Neoprenanzug, Prallschutzweste, Helm – und natürlich Wasserski oder ein Wakeboard. „Mit 500 Euro muss man da schon rechnen. Für die Summe bekommt man zwar nicht das allerbeste, aber man ist ordentlich einge­kleidet.“ Wie viele Menschen in den ver­gangenen 25 Jahren auf der Anlage das Wasserskifahren gelernt haben, vermag König nicht zu sagen. irgendwann habe er aufgehört zu zählen. „Die ausbildungszah­len sind aber enorm.“ Generationen von Duisburgern hat König bei den ihren ers­ten Wasserskiversuchen begleitet. „Erst hab ich dem Opa das Wasserskifahren beigebracht, später der Tochter und dann den Enkeln“, sagt er.

Die Hauptsaison dauert 170 Tage

Die Hauptsaison an der Wasserskianlage dauert jedes Jahr 170 tage. auf der anla­ge sind aber fast das ganze Jahr Wasser­sportler unterwegs. Auftakt ist im Februar, Schluss ist im Dezember. in den Sommer­monaten, wenn die Anlage täglich geöffnet hat, schmeißt König morgens um zehn Uhr den Motor an – und erst um zehn Uhr abends wieder ab. „Wir fahren immer. au­ßer bei Gewitter“, sagt König.

Wenn das Wetter mitspielt, gibt es bis zu drei Anfängerkurse täglich. Drei bis 15 Was­serskineulinge können daran teilnehmen. allein bei den Sommerferienkursen 2015 haben mehr als 250 Kinder das Wasserski­fahren gelernt. „Es ist erstaunlich, aber wirk­lich viele, die es einmal ausprobiert haben, wollen gar nicht mehr damit aufhören“, sagt König. ab einem Alter von etwa acht Jahren könnten Kinder das Wasserskilaufen ler­nen. Manche bekommen es auch schon mit sechs Jahren hin. Königs Sohn Pascal stand bereits mit drei Jahren zum ersten Mal auf Wasserski. „Mit vier Jahren hatte er es dann raus und hat die ganze Bahn geschafft, ohne im Wasser zu landen“, erzählt der Vater. Heute ist Pascal 23 Jahre alt. Er stu­diert international Business Management im niederländischen Arnheim. Bald soll er übernehmen, was der Vater am Toeppersee aufgebaut hat. „in zwei, drei Jahren wollen meine Frau und ich uns zurückziehen“, sagt Michael König. Dann sei es an der Zeit für die Staffelübergabe. Und dann? „Dann werden wir uns zurücklehnen und den Ruhestand genießen“, sagt König. Ganz ernst meint er das nicht. Dafür ist er zu gerne in Bewegung. Er möchte von Duisburg in die Welt reisen. Vielleicht erst mal nach Spanien. König sagt, es gebe viele interessante Ecken in Euro­pa und viele Wasserskianlagen, die er noch nicht gesehen und ausprobiert habe. Klar, dass seine Wasserski-ausrüstung dann zum Reisegepäck gehört.

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