Aber bitte mit Sahne
Michael Schwarz tunkt den Pinsel in einen Kupfertopf. An den Borsten haftet nun eine klebrige Masse: Aprikosenkonfitüre. Diese verstreicht Schwarz auf einem wellenförmigen Teigrohling. Auf Schwarz' Stirn bilden sich Schweißtropfen. Der Ofen, in dem insgesamt sechs Teigrohlinge rotieren, ist zu einer Seite hin geöffnet. Hitze erfüllt den Raum. Hohe Temperaturen braucht Michael Schwarz auch. Nur so gelingt der Baumkuchen. Diese Spezialität hat der 62-Jährige schon tausendfach in seinem Leben gebacken. Seit 1974 arbeitet Michael Schwarz als Konditor. Vielen Duisburgern hat er seitdem das Kaffeekränzchen mit Baumkuchen versüßt.
Wenn Schwarz die Frage gestellt wird, was sich in seinem Beruf verändert hat, antwortet er knapp: „Eigentlich nichts. Es ist immer noch alles reine Handarbeit.“ Damit nennt Schwarz gleichzeitig den Leitsatz seines Arbeitgebers, der Confiserie Otto Bittner GmbH. Wer die Produktionsstätten in Großenbaum besichtigt, merkt sofort, was Michael Schwarz meint. In der Konditorstube gibt es keine Computer, die die Produktion steuern. Keine Automaten, aus denen der fertige Teig fließt. Kneten, rühren, stanzen, modellieren, dekorieren – all das machen die Frauen und Männer mit Muskelkraft und dem nötigen Feingefühl. Dass beim Personal Teigreste oder ein Klecks Schokolade auf dem T-Shirt landen, kommt schon mal vor.
Thomas Dörners weißes Hemd ist unbefleckt. Der 49-Jährige leitet den Betrieb in Großenbaum. Dörner stellt neues Personal ein, spricht mit Kunden, vertritt die Confiserie nach außen. Wenn er wollte, könnte er auch feine Pralinen oder große Torten herstellen. Dörner lernte das Konditorhandwerk nämlich von der Pike auf. Er hat eine Ausbildung gemacht und als Geselle in dem Beruf gearbeitet – unter anderem im elterlichen Betrieb. „Nach ein paar Jahren habe ich da aufgehört, auch um den Familienfrieden zu wahren“, sagt er und grinst.
Wer im Rheinland als Konditor arbeitete, der kannte den Namen Otto Bittner. Der Unternehmensgründer machte sich bereits im Jahr 1905 in Düsseldorf selbstständig zu einer Zeit, als Kaiser Wilhelm II. das Deutsche Reich regierte. Schon damals ließen sich die Bürger Pralinen und Trüffel aus dem Hause Bittner schmecken.
„Viele unserer hauseigenen Rezepte stammen noch aus der Zeit der Gründung. Sie haben sich einfach bewährt“, sagt Thomas Dörner. Was sich allerdings geändert hat: Otto Bittner ist kein Familienbetrieb mehr. 2003 hatte das Unternehmen Insolvenz anmelden müssen.
Damals kaufte der Duisburger Konditor Uwe Limper das verbliebene Café am Düsseldorf Carlsplatz und die Rechte am Namen Otto Bittner. Zehn Jahre später gab es die nächste schlechte Nachricht. Nun musste Limper Insolvenz anmelden. Doch ein Retter für den Namen Otto Bittner war schnell gefunden: die Büsch-Gruppe aus Kamp-Lintfort. Sie führt jetzt die Tradition Otto Bittners fort – in fünf Cafés und in der Produktionsstätte am Großenbaumer Handwerkshof.
Das Team in Duisburg besteht aus 25 Mitarbeitern. „Hier wird von montags bis sonntags produziert. Schließlich sollen die Gäste in unseren Cafés stets frische Ware bekommen“, sagt Thomas Dörner.
Damit Käsekuchen und Marzipantorte pünktlich in der Auslage liegen, müssen die Konditoren entsprechend früh anfangen. Bei Carina Brockerhoff klingelt der Wecker derzeit um 2.15 Uhr. Das frühe Aufstehen nimmt die neue Auszubildende in Kauf. „Ich habe immer schon gerne gebacken. Zu dem Beruf gehört auch viel Kreativität“, sagt Carina Brockerhoff. Jetzt stellt sie noch die Klassiker Schweineöhrchen und Nougatringe her. Im Laufe ihrer Ausbildung wird Carina Brockerhoff mit Sicherheit aber noch wesentlich ausgefallenere Kundenwünsche erfüllen.
Was in dem Beruf alles möglich ist, zeigt Thomas Dörner im angrenzenden Café. Dort können sich die Gäste ihre Schwarzwälder Kirschtorte oder ihre Sachertorte schmecken lassen. Wer sich die Auswahl anschaut, der denkt automatisch an einen Song von Udo Jürgens. In „Aber bitte mit Sahne“ machte der Österreicher einen Streifzug durch die Welt der Kuchen und Torten.
Die unternimmt nun auch Thomas Dörner, allerdings eine extravagante: Er legt sein Tablet auf den Tisch und startet eine Diashow. Eine sehr bunte. „Das sind alles Torten, die wir individuell für Kunden angefertigt haben“, sagt der Betriebsleiter. Eine Hochzeitstorte mit vier Etagen? Kein Problem. Ein kalorienreiches Stadion mit den Wappen aller Bundesligisten? Bekommen die Konditoren bei Otto Bittner hin. Eine Transformers-Figur für Naschkatzen? Am Handwerkshof wird dieser Wunsch realisiert. Auch für Batman-Fans oder Fahrer einer Citroën-Ente gibt es die entsprechenden Torten.
Zudem stellt die Confiserie Otto Bittner GmbH auch eigenes Eis her – und rund 60 verschiedene Pralinensorten. „Wir produzieren insgesamt mehr als dreizehn Tonnen pro Jahr“, sagt Dörner. Eine Spezialität ist der schwarze Kö-Diamant. Diese Praline vertilgen nicht nur Café-Besucher auf der Düsseldorfer Prachtstraße. Der Kö-Diamant ist ein echter Exportschlager. Selbst aus Australien, so heißt es, sind schon Bestellungen eingegangen.
Thomas Dörner hat unter den rund 400 Produkten aus dem Hause Otto Bittner auch einen Favoriten. „Die Mousseau-Chocolat-Torte esse ich besonders gerne. Allzu viel darf ich mir aber nicht erlauben“, sagt er und fährt mit der Hand über den Bauch. Dörner weiß, dass der Konditorberuf voller Versuchungen ist. „Die Auszubildenden müssen auch viel probieren. Nach dem ersten Lehrjahr haben die meisten ein paar Kilogramm zugenommen“, sagt er.