Hier läuft’s wie geschmiert
Carsten Roß sieht nicht gerade aus wie ein Koch. Die Kochjacke fehlt, die weiße Haube auch, nicht einmal eine einfache Schürze trägt der 50-Jährige. Trotzdem ist der Geschäftsführer von SWD Lubricants verantwortlich für eine Suppenküche im XXL-Format. Das Gelände misst 52.000 Quadratmeter und ist damit so groß wie sieben Fuß - ballfelder. Hundert Tanks drängen sich hier aneinander, der größte fasst 1,5 Millionen Liter – genug, um 10.000 Badewannen zu füllen. Und im Lager stapeln sich die Fässer auf fünf Etagen bis unter die Decke. Schließlich ist das Gebräu vom Duisburger Hafen ein echter Verkaufsschlager in der ganzen Welt – obwohl es einen dicken Haken gibt, wie der Wahlniederländer freimütig gesteht: „Es riecht nicht gut, es sieht nicht gut aus und schmecken tut es auch nicht.“
Breite Produktpalette
Zum Glück muss es das auch nicht, denn die SWD Lubricants GmbH & Co. KG ist der größte Schmierstoffhersteller in Nordrhein-Westfalen. Die Produktpalette umfasst Reiniger und Bindemittel, industrielle Schmierstoffe und Autopflegeprodukte, vor allem aber Motorenöle für den Pkw. Und die werden nicht nur speziell für ver - schiedene Automarken gemixt, sondern auch den Bedingungen in ganz unterschiedlichen Ländern angepasst. „Das Grundöl ist der Basisstoff, den wir bei Raffinerien einkaufen. Es macht 80 Prozent des Motoröls aus, aber dann kommen noch wie bei einer Suppe Gewürze rein – das sind die Additive, also bestimmte Eigenschaf - ten, die der Motor braucht. Und schließlich fügen wir noch eine Art Soßenbinder hinzu, den Viskositätsindexverbesserer“, erklärt Carsten Roß.
Andere Länder, andere Sitten
Im hauseigenen Labor stehen sorgfältig beschriftete Fläschchen mit rötlichen, orangen oder gelben Flüssigkeiten. In den Bechergläsern brodelt und köchelt es. Hier tüfteln Chemielaboranten an der perfekten Rezeptur, bevor die „Köche“ auf der Mischbühne die Zutaten für Hunderttausende Liter genau dosieren. „So können wir die Öle für unsere Kunden individualisieren. Mancher isst seine Erbsensuppe eben gerne scharf“, sagt der Geschäftsführer und lacht. Andere Länder, andere Sitten: In einigen Regionen soll das Motoröl zum Beispiel bestmöglich die mangelhafte Qualität des Kraftstoffs ausgleichen, in anderen gilt dunkles Öl als Second-Hand- und damit als schlechte Ware, in Wüstenstaaten wie Saudi-Arabien wiederum muss der Schmierstoff keinen Minustemperaturen wie hierzulande standhalten.
Weltweit unterwegs
Fremde Kulturen, das Jetten um die halbe Welt – bei SWD Lubri - cants gehört das zum täglichen Geschäft. Auf den Schreibtischen in den Büros liegen Pistazien und Mandeln in großen Tüten mit arabischer Aufschrift, ein gerahmtes Bild mit persönlicher Widmung zeigt die Unesco-Weltkulturerbestätte Petra, eine antike Ruinen - stadt in Jordanien. Und auf eine Weltkarte haben die Mitarbeiter bunte Plastikfähnchen gepinnt, wo überall der Verkehr dank des Duisburger Motoröls wie geschmiert läuft. Kaum eine Erdregion ist hier nicht vertreten: Die meisten Kunden kommen aus dem Mittleren Osten und aus (Ost-)Europa, aber auch Länder wie die USA oder das afrikanische Gambia sind markiert. „Duisburg ist für uns ein guter Standort, weil alles Richtung Asien und Mittlerer Osten auf Seecontainern rausgeht. Die großen Häfen in Rotterdam und Amsterdam sind nur gut zwei Stunden entfernt“, sagt Carsten Roß. Ende des Jahres noch fliegt der Geschäftsführer schnell nach Hongkong, Shanghai und Seoul, vor zwei Wochen war er mit seinem Vertriebler Florian Schweinoch nur für ein Abendessen in Tel Aviv.
„Mancher isst seine Erbensuppe eben gerne scharf.“
Vor allem die Kurztrips in Länder, „wo andere nicht unbedingt hinwollen“, können durchaus abenteuerliche Züge annehmen – zum Beispiel wenn ausgerechnet im Irak auf einmal das Gepäck weg ist oder man im Königreich Bahrain flugs mit der exklusiven Mercedes-Maybach-S-Klasse zum edlen Dinner mit dem Scheich höchstpersönlich gefahren wird. Schließlich wissen die hochrangigen Kunden die Qualität aus Deutschland zu schätzen. „Wir werden mit den deutschen Autobauern assoziiert, mit Mercedes, Porsche, BMW. Made in Germany ist das, was die Leute im Ausland wollen“, weiß Carsten Roß.
Plan B in der Tasche
Seit 15 Jahren arbeitet der gelernte Buchhalter und Kaufmann nun schon daran, SWD Lubricants groß zu machen. 2005 erzielte das Unternehmen, das 1998 aus der ehemaligen Fina GmbH hervorgegangen ist, noch einen Jahresumsatz von 9,5 Millionen Euro, vor zehn Jahren dann gelang auf der Pariser Messe Equip Auto der internationale Durchbruch. Für 2019 rechnet der Geschäftsführer jetzt mit satten 45 Millionen Euro – der weltweite Export macht inzwischen die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. Und Carsten Roß hat auch schon einen Plan B für die Zeit in der Tasche, wenn der Verbrennungsmotor tatsächlich irgendwann einmal in allen Winkeln der Welt ausgedient hat: SWD Food-Safe heißt die Produktlinie, mit der Industriemaschinen im Lebensmittelbereich geschmiert werden können.
„Made in Germany ist das, was die Leute im Ausland wollen.“
Bis die neuen Industrieöle im Vordergrund stehen, werden noch Jahre vergehen, aber schon jetzt ist der Erfolg des Unternehmens auf dem Gelände im Duisburger Hafen kaum zu übersehen. Die alte 60erJahre-Technik des ehemaligen Fina-Werks dient hier und da noch als nostalgische Kulisse, die praktische Rohrpost wird sogar weiterhin genutzt, aber das Tagesgeschäft haben längst modernste Maschinen übernommen. Schließlich werden hier etwa 40.000 Tonnen Öl – das entspricht der Ladung von rund 1.500 Tankwagen – pro Jahr verarbeitet. Draußen sorgt ein umweltfreundliches Blockheizkraftwerk auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung für die effiziente Wärmeversorgung der Gebäude und eine kostengünstige Beheizung der Lagertanks. Drinnen, im Pumpenhaus, winden sich beindicke, schwarze Schläuche über den Boden. „Snake Pit“, Schlangengrube, nennen die Mitarbeiter das Verbindungsstück zwischen den riesigen Außentanks und der Mischbühne eine Etage höher.
Carsten Roß klopft auf Schultern, prüft Pakete. Jeden seiner gut 70 Mitarbeiter kennt der Chef mit Namen: Lagerlogistiker, Maschinenführer und Produktionshelfer, Industriekaufleute und Chemielaboranten. Die meisten Angestellten wurden gleich nach ihrer Ausbildung ins Unternehmen übernommen, darauf ist der Geschäftsführer, der statt Anzug lieber Jeans und T-Shirt trägt, besonders stolz. Vor allem die „Köche“, die auf der Mischbühne den sprichwörtlichen Löffel schwingen, haben ihr Handwerk vor Ort gelernt. „Learning by doing“ ist hier die Devise, denn einen speziellen Ausbildungsberuf für den Mischer an der Öl-Bar gibt es in Deutschland bisher nicht.
Rheinol seit mehr als 50 Jahren
Allein im größten Behälter können die Spezialisten 250.000 Liter Motoröl in nur vier Stunden produzieren. Anschließend wird die individuelle Rezeptur am Fließband abgefüllt – je nach Bedarf in Viertelliterflaschen, Kanister oder große Fässer. Die Eigenmarke Rheinol, blaue Schrift auf gelbem Grund, gibt es schon seit mehr als 50 Jahren, aber auf den Paletten und in den haushohen Lagerregalen türmen sich auch allerlei Spezialmischungen, sogenannte Private Label, die in anderen Farben und vermeintlich deutsch anmutendem Design in aller Herren Länder verschifft werden. Über Geschmack lässt sich eben streiten.