Einfach mal abtauchen

Wie ein ferner Planet wirkt die Unterwasserwelt des Roten Meeres vor der Küste von Marsa Alam. Zwei glückliche Gewinner können hier Begegnungen der etwas anderen Art erleben und in Ägyptens Badewanne ausgiebig entspannen.

Ein Wald aus bizarren Verästelungen leuchtet mal intensiv gelb, dann plötzlich pink und violett. Schwerelos treibt ein unförmiger Dugong – eine seltene Seekuh – in absoluter Stille vorbei. Glitzernde Strahlen durchdringen, tausendfach gebrochen, pfeilgerade die Dunkelheit. Was ganz nach einem Lichtjahre entfernten Planeten klingt, ist in Wahrheit Ägyptens Badewanne: Selbst im Herbst und Frühling ist das Rote Meer vor der Küste von Marsa Alam behagliche 25 Grad warm, nicht einmal im Winter fallen die Wassertemperaturen unter die 20-Grad- Marke. Etwa 240 verschiedene Korallen- und mehr als 100 Fischarten fühlen sich hier wohl, locker kann die Region mit den berauschenden Unterwasserwelten der Malediven oder Seychellen mithalten. Dabei ist Marsa Alam fast exklusiver, vielleicht sogar einen Hauch exotischer als die Urlaubsparadiese am anderen Ende der Welt.

Denn das verschlafene Fischerdorf knapp 300 Kilometer südlich vom bekannten Ferienort Hurghada hat sich erst in den letzten zwanzig Jahren ganz langsam zu einer idyllischen Wüstenoase für sonnenhungrige Urlauber und Taucher entwickelt – und gilt auch jetzt noch als vergleichsweise ruhiger Geheimtipp. In den bildschönen Buchten, die sich Kilometer um Kilometer aneinanderreihen, gibt es feinen Sand, glasklares Meer in fotogenen Türkistönen und Ruhe unter Palmen statt Trubel am Strand. Selbst die Weltklasse- Tauchplätze im Roten Meer weisen Besucherzahlen auf, die anderswo spätestens seit den achtziger Jahren passé sind: intakte Riffe, weitgehend unberührt von den Massen. Und brandneue Hotels wie das Sunrise Anjum Resort Marsa Alam, das im kommenden Winter eröffnet wird, bieten nicht nur modernen 5-Sterne-Luxus im edlen Boho-Ambiente, sondern kommen auch gleich mit eigenen Hausriffen daher, in denen die Gäste ganz ungestört nach Herzenslust schnorcheln können.

Sonne tanken, abschalten, abkühlen ist hier die Devise. Fast automatisch stolpert man dabei von den weißen Lagunenstränden in die faszinierende Unterwasserwelt hinein, so nah liegen die naturbelassenen Riffe am Ufer. Man zieht einfach Schwimmflossen und Tauchermaske an, schwimmt ein paar Züge oder springt gleich vom Steg in die Wellen – und landet in einer knallbunten Welt. Unvermittelt schwimmen bunte Clown- und Feuerfische durch farbenprächtige Korallengärten, Delfine gleiten elegant vorbei, Meeresschildkröten zischen mühelos mit nur einem einzigen Paddelschlag davon. Sogar Dugongs, die seltenen Seekühe, ziehen wie liebenswerte Staubsauger über die Seegraswiesen in der Bucht von Marsa Murena und tauchen vor den filmreifen Traumstränden der geschützten Hamata-Inseln. Auch zum Dolphin House, in dem sich regelmäßig gerne mal bis zu 150 neugierige Delfine tummeln, oder den Haien an den spektakulären Steilwänden des Elphinstone Reef werden Bootsausflüge angeboten.

Zurück am Strand lässt der Ruhepuls nicht lange auf sich warten. Das Salz trocknet auf der Haut, leise plätschern die Wellen, die Farben glühen in der Sonne. Sandkörner kann man aber auch in der Arabischen Wüste zählen. Denn nur etwa 50 Kilometer südlich von Marsa Alam beginnt die karge, wüstengelbe Weite des Wadi-al-Gimal-Nationalparks, dessen Mangrovenwälder direkt ans Rote Meer reichen. Durch das „Tal der Kamele“, so die wörtliche Übersetzung, schaukelt man im Jeep oder ganz gemächlich – und stilecht – auf dem Rücken eines Kamels an felsigen Hängen, Wüstendatteln und Akazien vorbei. Wilde Affen leben hier, aber auch unzählige Wüstentiere. Sogar gefährdete Arten wie die Dorkasgazelle oder der Nubische Steinbock können mit etwas Glück beobachtet werden.

Und man wäre nicht in Ägypten, wenn nicht hier und da eine archäologische Stätte zur Zeitreise in die Antike einladen würde: Tempel aus römischer Zeit, eine komplette historische Bergbausiedlung und uralte Smaragdminen liegen nachmittags im fotogenen Wüstenlicht. Tagestouren führen auch zum Horus-Tempel von Edfu, einer der am besten erhaltenen Kultstätten des Landes, und zum Felsentempel von König Sethos I. in der antiken Siedlung El-Kanais. Etwa vier Stunden braucht der Bus von Marsa Alam zu den weltberühmten Bauwerken und Felsengräbern der Pharaonen in Luxor. Man kann sich stattdessen aber auch für die lebendigen Traditionen in der Hotelnachbarschaft entscheiden: Pünktlich zum Sonnenuntergang zieht der Duft von Kaffee und frisch gebackenem Fladenbrot durch die Wüste. In den Beduinendörfern lodern Lagerfeuer für ein BBQ unter dem klaren, dicht besetzten Sternenhimmel – Alltag für die Bewohner, eine fremde, fantastische Welt für die Besucher.