Von der hellen Achterbahn bis zur leuchtenden Bramme
Vor Frank Switala ist es düster. Er schaltet deshalb seine Taschenlampe ein, um sich zu orientieren. „Ah, da geht’s lang“, sagt der 55-Jährige. Wenige Kurven später erblickt Switala sein Ziel. Oben auf der Heinrich-Hildebrand-Höhe thront jenes Kunstwerk, das weit über die Stadtgrenzen hinausstrahlt – auch im übertragenen Sinne.
„Allerdings wissen selbst Duisburger gar nicht, was für eine herausragende Landmarke sie vor der Haustür haben“, sagt Switala. Er nähert sich der Großskulptur „Tiger & Turtle“, die die Künstler Heike Mutter und Ulrich Genth im Kulturhauptstadtjahr 2010 entwarfen. Hierhin begleitet Switala als Gruppenführer Touristen und Einheimische.
Heute will er Ann-Christin Gervers das leuchtende Duisburg zeigen. Und da bietet sich ein Auftakt bei „Tiger & Turtle“ an. Die 21 Jahre junge Fotografie-Assistentin kommt aus Düsseldorf und will nun ihre Nachbarstadt besser kennenlernen. „Die Halde habe ich schon mal besucht, als oben noch keine Skulptur stand“, sagt Gerver
Weißes Licht durch 880 LED-Leuchten
Die achterbahnförmige Stahlkonstruktion hat sie zwar schon häufig aus der Ferne gesehen. Nun erlebt die Düsseldorferin aber einen Perspektivwechsel. Sie blickt direkt ins weiße Licht, das die 880 LED-Lampen erzeugen. Dahinter färbt sich der Himmel orange, weil im benachbarten Hüttenwerk Schlacke abgekühlt wird. „Die Engel backen Plätzchen“, sagt Switala.
Aus sämtlichen Kontinenten
Er ist gerne hier oben, steigt dann auf die Gitterroste, um die Skulptur zu erkunden. Dabei erzählt Switala auch die Anekdoten rund um „Tiger & Turtle“. „Hier hat sich mal so ein Typ hingestellt und den Besuchern jeweils zwei Euro abgeknöpft“, sagt der Duisburger. „Dabei ist der Zugang gratis.“ Der Mann kassierte ab. Als die Ordnungshüter kamen, türmte er. Solche Storys erzählt Switala übrigens nicht nur Gästen aus dem Ruhrgebiet. „Ich habe schon Menschen aus sämtlichen Kontinenten hochgeführt“, sagt er. So haben auch schon Tunesier, Chinesen und selbst Australier den sogenannten Magic Mountain erklommen. Das nächste Ziel auf Switalas Lichtertour ist kein Ziel für Touristen. Er parkt sein Auto in einer Hochfelder Seitenstraße und zeigt Ann-Christin Gervers eine wenig bekannte Installation. Switala deutet auf einen alten Wasserturm. „Der wurde im Ersten Weltkrieg gebaut, um die Dampfloks mit Wasser zu versorgen“, erzählt der Experte. Die Technik starb Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Das führte dazu, dass das Bahngelände brachlag. Ein Investor kaufte 1997 den Turm und richtete im elften Stock ein Panorama-Café ein. „Gott sei Dank gibt’s jetzt einen Fahrstuhl“, sagt Switala. Den Kopf des Turms schmücken grüne Lampen. Aber es leuchtet auch abwechselnd violett, rot oder blau. Ein faszinierendes Lichterspiel.
Vom Zentrum nach Ruhrort
Weiter geht die Tour durchs leuchtende Duisburg. Nächste Station: Lehmbruck-Museum. Den Haupteingang lässt Switala links liegen. Er möchte Gervers die Rückseite des Gebäudes zeigen. Am oberen Kantenabschluss leuchtet es in allen Regenbogenfarben. Die Lichtkünstlerin Waltraut Cooper hat diese Installation entworfen und „Lightline_L“ genannt. Seit 2016 kommt auch hier LED- Technik zum Einsatz. Zur Neuenthüllung reiste die Künstlerin damals aus Österreich an.
Imposanter Blick auf den Rhein
Es ist mittlerweile 21 Uhr, als Frank Switala in Ruhrort eintrifft. Hier möchte er über Heide Weidele reden. Die Künstlerin aus Frankfurt am Main gab den Bewohnern des Stadtteils einst eine Installation: Switala steigt die Treppenstufen zum Vinckekanal hinunter und schaut mit seiner Begleiterin ins Blaue hinein. Auf dem Gelände der ehemaligen Schiffswerft Lünnemann hat Weidele Mitte der 1990er-Jahre einen Treppenabgang in diesem Farbton angestrichen. Nachts verstärkt blaues Licht den Effekt. Schatten fallen dann auf die Wasseroberfläche des früheren Hafenbeckens. Und Spaziergänger erblicken die Blaue Grotte. Heide Weidele sorgte also für ein Capri-Feeling inmitten des Ruhrgebiets. Denn das Vorbild für die Grotte befindet sich auf der italienischen Insel.
„Mit einem Blick von hier oben Richtung Wasser kann man die Leute immer wieder beeindrucken.“
Die Stadt Duisburg bietet auch Lichterführungen an. Termine gibt es auf www.duisburg.de in der Tourismussektion. Frank Switala ist auch für DU-Tours unterwegs. Mehr Infos: du-tours.de
Ein Abschluss in Orange
Zum Abschluss der Tour durchs abendliche Duisburg wird es dann orange. Genauer gesagt: Sie endet in Sichtweite des Rheinorange. So heißt das Duisburger Wahrzeichen, das Frank Switala Ann-Christin Gervers von der Friedrich-Ebert-Brücke aus zeigen will. Sie stellen sich auf eine Aussichtsplattform und sehen die Skulptur, die sich am Treffpunkt von Rhein und Ruhr befindet. „Das ist die älteste Landmarke im gesamten Ruhrgebiet“, sagt Switala und erntet einen erstaunten Blick. Seit einigen Jahren wird das Rheinorange auch angestrahlt. Das 25 Meter hohe Kunstwerk soll eine glühende Bramme darstellen, die gerade aus dem Hochofen kommt. Es dient als Symbol für den Stahlstandort Duisburg. „Mit einem Blick von hier oben in Richtung Wasser kann man die Leute immer wieder beeindrucken“, sagt Frank Switala. Bei Ann-Christin Gervers ist es ihm gelungen.