Problemlöser mit Stahlkraft
Robert Reiner muss hoch hinauf. Der Fachlagerist hat soeben einen Lieferschein eingescannt. Auf dem Display sieht der Mitarbeiter der Spaeter-Gruppe nun, dass ein Kunde Rechteckrohre aus Stahl bestellt hat. Die Ware liegt in einer der 1.404 Kassetten des Hochregellagers – mehr als zwölf Meter über dem Hallenboden.
Mit einem Knopfdruck startet Reiner einen automatisierten Prozess. Ein Hubschlitten fährt in Richtung des Faches, nimmt die Ware auf und bringt sie nach unten. Dort steht Robert Reiner mit seinem Kollegen Amir Nukic bereit. Die beiden kontrollieren die Rechteckrohre und heben sie auf ein Förderband. Eine Maschine wickelt Folie um das Material. Anschließend kommt das Paket in einen Karton – und wird bereitgestellt für den Lkw-Transport zum Kunden.
Rund 100 Meter entfernt vom Hochregallager begrüßt Dirk Hoyer einen Lkw-Fahrer, der gerade von seiner Tour gekommen ist. Der 56-Jährige arbeitet seit 37 Jahren für die Spaeter-Gruppe. Hoyer machte in Duisburg zunächst seine Ausbildung zum Großund Außenhandelskaufmann. Später war er zuständig für den Einkauf und Verkauf von Edelstahlprodukten. Seit September 2021 ist er Betriebsleiter im Warenlager, das sich im Stadtteil Kaßlerfeld befindet.
Es begann mit Carl F. A. Spaeter
Hoyer trägt Jeans, einen hellen Pulli und darüber eine graue Weste. „Als ich vom Büro ins Lager gewechselt bin, habe ich mich ohne Krawatte immer komisch gefühlt“, sagt der Duisburger. „Aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.“ Dass ihm die Geschäftsführung den Posten des Betriebsleiters angeboten hat, liegt auch an den veränderten Arbeitsprozessen. „Wir treiben im Lager den Digitalisierungskurs voran, und ich setze ihn hier vor Ort mit um“, erklärt Hoyer. Die Firmengruppe stellt sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, bekennt sich dabei aber stets zu ihrer Tradition. Schon der Gründer Carl F. A. Spaeter war ein leidenschaftlicher Händler.
„Wir verstehen uns als Problemlöser. Wer bei uns einkauft, wird so schnell es geht versorgt.“
Ab 1875 organisierte der gebürtige Thüringer die ersten Transporte von der Sayner Hütte bei Koblenz. Sein Sohn Carl A. E. Spaeter übernahm ab 1891 die Geschäfte und siedelte sich mit einer Niederlassung in Duisburg an. Auch heute befindet sich das Unternehmen noch im Familienbesitz – in der fünften Generation. Irmhild Spaeter ist Gesellschafterin der Firmengruppe. Der Jahresumsatz lag 2022 bei rund 2,2 Milliarden Euro. Es gibt 17 unabhängige Gesellschaften. Die rund 1.450 Mitarbeiter verteilen sich auf 27 Standorte in Deutschland – von Hamburg bis München und von Wuppertal bis Leipzig. Sie handeln mit Produkten aus Walzstahl, Edelstahl und Aluminium, sie sägen, spalten, brennen oder bohren das Material nach den Wünschen der Kunden. Drei Standorte sind auch in Duisburg. Neben dem Warenlager in Kaßlerfeld gibt es noch ein Servicecenter in Neumühl – und die Zentrale am Innenhafen.
Das Wort „Konzern“ ist tabu
Dort hat Klaus Tissen sein Büro. Der 52-Jährige arbeitete als Wirtschaftsprüfer, bevor er 2020 in die Geschäftsführung von Spaeter wechselte. Wenn Tissen über den Stahlhändler redet, vermeidet er ganz bewusst das Wort „Konzern”. „Wir sind ein familiengeführtes Unternehmen aus dem Mittelstand“, sagt der Geschäftsführer. „Unsere unterschiedlichen Gesellschaften sind dabei frei in ihrem unternehmerischen Handeln.“ Dabei verfolgen aber alle den gleichen Grundsatz. „Wir verstehen uns als Problem - löser“, sagt Tissen. „Wer bei uns einkauft, wird so schnell es geht versorgt.“
Die Kunden stammen etwa aus dem Bau - gewerbe oder der Fahrzeugindustrie, sind also auf kurze Lieferzeiten angewiesen. Engpässe im Lager kann sich die Spae - ter-Gruppe deshalb nicht erlauben – sie besitzt in der Branche eine große Strahl - kraft. „Bei uns ist eine hohe Flexibilität gefragt“, sagt Tissen. Seine Kollegen kaufen zwar zwei Drittel in Deutschland und Europa, haben aber auch andere Märkte im Blick. „Auf diesem Planeten gibt es kein Stahlwerk, das wir nicht kennen“, erklärt Tissen.
„Wir sind es unseren Kunden schuldig, dass wir in den Stahlwerken vor Ort sind und die Waren begutachten.“
So traf sein Geschäftsführerkollege Thorsten Zips in den vergangenen Monaten Hersteller in Vietnam, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Südafrika. Demnächst reist er wieder nach Indien. „Der persönliche Kontakt ist in unserer Branche unverzichtbar“, sagt Zips. „Wir sind es unseren Kunden schuldig, dass wir in den Stahlwerken vor Ort sind und die Waren begutachten.“
Der gebürtige Duisburger hat eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Er machte bei Spaeter seine Ausbildung, sammelte Berufserfahrung in der Exportabteilung, lernte Fremdsprachen, schloss Weiterbildungen ab und verdiente sich so Beförderungen. Mittlerweile ist der 58-Jährige der Sprecher der Geschäftsführung. „Ohne das Unternehmen wäre ich nie dort gelandet, wo ich jetzt bin“, sagt Zips. „Wir verfolgen den Grundsatz, Auszubildenden eine Perspektive zu geben.“
Wer die Spaeter-Schule durchläuft, muss anpacken können. Auch die angehenden Kaufleute sind während ihrer Ausbildung zwei Monate lang im Lager. „Die Mitarbeiter sollen das Material mit den Händen berühren“, sagt Betriebsleiter Dirk Hoyer. „Dann wissen sie später auch, worüber sie sprechen.“
Gruppe beschäftigt 120 Auszubildende
Auch Vladan Velichkovski machte während seiner Ausbildung Station in Kaßlerfeld. Er verschaffte sich im Lager einen Überblick über die verschiedenen Bleche, Rohre und Stäbe. Der 23-Jährige saß auch schon bei einer Auslieferung mit im Lkw, lernte das korrekte Beladen des Fahrzeugs. „Jetzt kann ich besser einschätzen, welche Anforderungen die Kunden an einen Transport haben“, sagt Velichkovski.
120 Auszubildende hat die Spaeter-Gruppe derzeit. „Ein Großteil bleibt auch bei uns“, sagt Klaus Tissen. „Wir bilden aus für eine tolle und lange Karriere.“ Das Beispiel seines Kollegen Thorsten Zips ist dabei keine Ausnahme. „Die Geschäftsführer in vielen unserer Gesellschaften sind ebenfalls ehemalige Auszubildende“, erklärt Tissen.
Das Führungspersonal muss sich auch dem Wandel in der Branche stellen. Unter dem Motto „Spaeter 2030“ verfolgt das Unternehmen eine Nachhaltigkeitsstrategie. „Wir wollen künftig die Versorgung unserer Kunden mit grünem Stahl oder emissionsarm erzeugten Metallprodukten sicherstellen“, sagt Tissen. „Auch auf diesem Gebiet verstehen wir uns als Problemlöser.“ Die Strategie beinhaltet zudem, an den Standorten mehr Photovoltaikanlagen zu installieren. Auf dem Dach des Warenlagers in Kaßlerfeld sind bereits die Solarmodule angebracht. Bis spätestens 2026 möchte das Unternehmen den Strombedarf der eigenen Standorte vollständig aus eigener Produktion erzeugen.
Besonderes Jubiläum im Jahr 2025
Zunächst steht im Jahr 2025 ein besonderes Jubiläum an. Dann ist es 150 Jahre her, dass Carl F. A. Spaeter seine ersten Aufträge unter eigenem Namen abwickelte und damit den Grundstein für den Erfolg der heutigen Firmengruppe legte. „Uns ist das Unternehmen aktuell nur geliehen“, betont Klaus Tissen. „Bei all unseren Überlegungen haben wir die nächsten Generationen schon im Blick.“