Wir sahen aus, als hätten wir uns im Dreck gewälzt
Frau Mahmutovic, wann haben Sie Ihre Leidenschaft für den Fußball entdeckt?
Das war schon sehr früh – mit fünf oder sechs Jahren. Ich hatte als Kleinkind zunächst Handball gespielt. Doch dann kam mein Papa auf die Idee, mich einmal mit ins Fußballstadion zu nehmen. Wir waren zusammen bei einem Heimspiel des MSV Duisburg. Das war ein tolles Erlebnis. Ich habe schnell eine Liebe zum Fußball entwickelt und wollte selbst in einem Verein spielen.
Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?
Die fanden das super. Gerade mein Vater war begeistert, denn er ist ein riesengroßer MSV-Fan. Der Verein war für mich damals natürlich noch kein Thema. Ich habe also erstmal bei Eintracht Duisburg zur Probe trainiert. Es hat mir von Anfang an Spaß gemacht. Deshalb haben meine Eltern mich auch dort angemeldet.
Gab es damals im Verein schon eine Mädchenmannschaft?
Nein, ich war meistens das einzige Mädchen in einer Jungenmannschaft – von den Bambini bis zur D-Jugend. Aber das war überhaupt kein Problem für mich. Die Jungs haben mich akzeptiert. Ich war damals übrigens noch keine Torhüterin, kam stattdessen bei den Spielen meistens als Flügelspielerin zum Einsatz. Und ich habe einige Tore für meine Mannschaften geschossen. Das war eine wahnsinnig schöne Zeit. An die Eintracht-Jahre muss ich auch oft denken, wenn ich heute meine ehemaligen Mitspieler im Stadion treffe.
"Ich habe schnall eine Liebe zum Fußball entwickelt und wollte selbst in einem Verein spielen."
Ena Mahmutovic (19) begann ihre Laufbahn bei Eintracht Duisburg. 2014 wechselte sie dann zum MSV Duisburg. Ihr Bundesliga-Debüt feierte Ena Mahmutovic am 30. Mai 2020 – damals hatte sie einen Kurzeinsatz als Feldspielerin. Mittlerweile hat sich die Duisburgerin als Stammtorhüterin bei den Zebras etabliert und war in der Saison 2022/23 eine Garantin für den Klassenerhalt.
In den vergangenen Monaten gehörte sie regelmäßig zum Aufgebot der deutschen A-Nationalmannschaft. Auch bei den Nations-League-Spielen gegen Wales und auf Island stand die Torhüterin im Kader von Interimstrainer Horst Hrubesch.
Am 3. November 2023 erhielt Ena Mahmutovic eine besondere Auszeichnung. Sie setzte sich bei der Abstimmung zur Sportlerin des Jahres in Duisburg durch.
Wie sah es mit dem Fußballspielen in der Schule aus?
Wir haben so ziemlich jede Pause genutzt, um zu kicken. Jacken, Schultaschen oder Baumstämme waren an der Gemeinschaftsgrundschule Böhmer Straße unsere Tore. Wenn das Spiel lief, spielte alles um uns herum keine Rolle mehr. Und dann kam es auch schon mal vor, dass wir zu spät zum Unterricht erschienen sind.
Haben Sie sich beim Kicken auf dem Schulhof mal ernsthaft verletzt?
Nein, da ist nie etwas Schlimmes passiert. Okay, ein paar Schrammen habe ich mir abgeholt. Nach einem Sturz auf steinigem Boden hat es auch mal geblutet. Aber das war alles halb so wild. Auch als Vereinsspielerin bin ich lange Zeit von Verletzungen verschont geblieben, bis ich mir vor zwei Jahren einen Innenbandriss im Arm zugezogen habe und deshalb drei Monate pausieren musste.
Auf welchem Untergrund haben Sie für Ihren ersten Verein gespielt?
Das Training fand auf Kunstrasen statt. Den haben wir uns damals noch mit den Hockey-Mannschaften geteilt. Wir mussten in der Jugend aber auch oft auf Asche ran. An diese Spiele habe ich besonders schöne Erinnerungen. Wenn es geregnet hatte und riesige Pfützen auf dem Platz standen, sahen wir nach dem Abpfiff so aus, als hätten wir uns im Dreck gewälzt. Wenn ich an diese Spiele zurückdenke, werde ich schon ein wenig wehmütig.
Hat die Zeit auf Asche Sie auch geprägt?
Auf jeden Fall. Da ich solche Untergründe kenne, weiß ich es jetzt umso mehr zu schätzen, Woche für Woche auf topgepflegten Fußballplätzen spielen zu dürfen. Als ich das erste Mal einen Stadionrasen betreten habe, habe ich große Augen gemacht. Dass ich so begeistert war, liegt vermutlich auch an meinem Werdegang. Damals, als ich mit meinem Papa im Stadion war, hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass ich selbst einmal vor so vielen Zuschauern auf einem Fußballplatz stehen werde.
Sie treten in der Bundesliga gegen Topklubs wie Bayern München und den VfL Wolfsburg an. Bleibt da noch Zeit, sich mal Spiele im Amateurbereich anzuschauen?
Die Zeit nehme ich mir. Meine beste Freundin spielt in der Kreisliga, da bin ich auch regelmäßig vor Ort. Sie feuert mich bei meinen Partien im Stadion an. Und ich supporte sie, wenn sie auf dem Sportplatz im Einsatz ist. Für mich macht das Umfeld keinen Unterschied. Der Spaß am Fußball steht in jeder Spielklasse im Vordergrund, nur ist der Leistungsdruck in der Bundesliga ein anderer als in der Kreisliga.